„Travel Risk, Homeoffice, Remote Work – Corona hat die Anforderungen an die Reiserichtlinien deutlich verändert. Arbeitgeber, die Themen neu und verstärkt denken, schaffen den leichteren Re-Start, auch in puncto Nachhaltigkeit.” Corinna Döpkens, Inhaberin von Corinna Döpkens Travel Management
Bisher kannten viele Mitarbeiter und so manche Geschäftsleitung die Reiserichtlinien ihres Unternehmens nur peripher. “Wohl auch weil etliche Dienstreisen früher relativ wenige Ausnahmesituationen mit sich brachten”, meint Corinna Döpkens: “Doch Corona hat viele Haftungsfragen akut gemacht. Bei Reisewarnungen etc. sind Firmen in der Informationspflicht – was viele zu wenig leisten oder gar der Überzeugung sind, dass Reisende eigenverantwortlich z. B. auf Portalen des Auswärtigen Amts recherchieren müssen und dieses entsprechend in der Travel Policy festhalten.” Auch sind Fragen oft unklar wie: Was mache ich, wenn während der Dienstreise eine Covid-19-Infektion festgestellt wird? Wie verhalte ich mich in einem Land, das kurzfristig zum Risikogebiet erklärt wird, samt ausgesetzten Flugverbindungen oder neuen Quarantäne- und Testvorschriften? Oder wie erfolgt die Kostenübernahme bei notwendigen Stornierungen oder Tests?
Zusätzliche Corona-Richtlinie sinnvoll
“Aufgrund der gestiegenen Risiken die Mitarbeiter künftig gar nicht mehr auf Geschäftsreise zu schicken, ist hoffentlich für Unternehmen keine Option. Vielmehr sollten etliche Punkte aktuell in einer Corona-Sonderrichtlinie als Ergänzung zur allgemeinen Reiserichtlinie festgeschrieben werden”, sagt die Travel-Management-Beraterin (Foto links) und denkt hier auch an einen möglichen Verdienstausgleich im Quarantäne-Fall oder die zeitweise Verwendung des Autos statt der vorgeschriebenen Bahn. “So viel wie möglich muss in dieser Zusatzrichtlinie bzw. später dauerhaft in die Reiserichtlinie aufgenommen werden, um Sicherheit bei den Re-Start-Abläufen und natürlich bei den Mitarbeitern zu erzeugen”, sagt die Expertin. “Unternehmen sind in der Fürsorgepflicht, und Angestellte können diese einfordern – heute mehr denn je.”
Homeoffice in die Travel Policy
Zudem gehören jetzt auch andere, neuere Themen in puncto Reisesicherheit und Versicherungen in die Travel Policy, oder sie müssen bei vielen Unternehmen überprüft werden, betont Corinna Döpkens. Das Thema Homeoffice hat hier z. B. viele Arbeitsschutzfragen aufgeworfen: Wann greift die Unfallversicherung des Unternehmens während der Arbeitszeit? Welche Erreichbarkeit muss wann durch den Mitarbeiter garantiert werden? Und: Wann und wie darf er auch von einem anderen Ort aus als dem Wohnsitz arbeiten?
“Die Themen Remote Work, Bleisure Work und Bleisure Travel werden nach Corona an Bedeutung gewinnen”, ist die Unternehmerin überzeugt, auch weil viele nach der Covid-19-Pandemie und im Zuge von New Work ein anderes Verhältnis zu ihrem Job, zu bisherigen Arbeitsweisen und zum Reisen an sich entwickeln. Was in den letzten Jahren die digitalen Nomaden und Selbstständigen mit spannenden Work-Life-Balance-Geschichten vorgelebt haben, könnte jetzt zu einem zunehmenden Bedürfnis bei einigen Festangestellten und Führungskräften wachsen.
Dienstreise vor der Haustür
Remote Work ist und bleibt dabei ein individuelles, detailreiches Thema, das Unternehmen in ihren Leitlinien wenigstens als grundsätzliche Möglichkeit mit einer Genehmigungspflicht fixieren sollten, empfiehlt Corinna Döpkens, die selbst viel reist und unterwegs arbeitet. “Größere Unternehmen haben dies bereits öfter in ihren Personal- bzw. Arbeitsrichtlinien ergänzt. Und gerade im Inland ist der Wunsch, an einem anderen Ort als im Büro oder zu Hause zu arbeiten, für kleine wie große Unternehmen sicher leicht umsetzbar. Hotels z. B. bieten mit ihren Homeoffice-Angeboten kleine Fluchten aus dem Corona-Arbeitsalltag”, sagt sie.
Herausfordernder ist das Thema Remote Work im Ausland, weil viele arbeitsrechtliche Aspekte wie Arbeitszeit oder Datenschutzthemen, steuer- und sozialversicherungsrechtliche Details oder speziell der Geltungsbereich bisheriger Auslandskranken- und Unfallversicherungen zu klären sind. “Hiermit haben sich viele, vor allem kleinere Unternehmen noch gar nicht beschäftigt”, stellt die Expertin fest. “Trotzdem sollte man nicht reflexartig ,nein’ sagen, wenn der Mitarbeiter den Wunsch äußert, für ein paar Wochen den Laptop in der fernen Sonne-Strand-Kulisse aufklappen zu wollen, sondern zumindest grobe Rahmenbedingungen eruieren.”
Von “Wenn es geht” zu “Wenn, dann”
Und dann ist da für sie noch ein Thema, dass jetzt größte Chancen im Geschäftsreisesegment hat: die Festschreibung eines nachhaltigen Business Travel. “Viele Unternehmen haben bereits umweltverträgliche Reiseleitlinien fixiert. Aber nun sollte aus einem ,Wenn es geht’ ein verbindliches ,Wenn, dann’ werden”, sagt die Beraterin. So könnte z. B. innerdeutsch eine bis zu vierstündige Bahnfahrt als zumutbar und verbindlich festgelegt werden, oder dass interne Meetings nur als Videokonferenz stattfinden müssen. Denn so sehr alle ein verändertes Reiseverhaltens erwarten, so sehr ist auch die Rückkehr zu alten Mustern wahrscheinlich. Dafür lohnt es sich auch, die Mitarbeiter im Rahmen von Workshops etc. in die Entwicklung von nachhaltigen Reiserichtlinien einzubeziehen. Das sorgt für ein Wir-Gefühl, erst recht wenn der Chef das Thema selbst vorlebt.
“Ich schätze, dass bisher bis zu 30 Prozent der Unternehmen ein nachhaltiges Geschäftsreisen leben und 10 Prozent gar nicht”, sagt Corinna Döpkens. Viel Spielraum also noch, während und erst recht nach Corona.
Sylvie Konzack …
hat auch nachgefragt, ob Homeoffice grün ist und die Antwort erhalten: “Ja, ein bißchen, weil die Anreise ins Büro wegfällt.” Wenn man also bei Remote Work im großen Stil denkt, dann ließen sich künftig viele Extra-Reisen sparen, weil man länger bleibt und zugleich bewusster reist.
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