Bleisure-Trends
Remote Work WORKATION

„Diese Form des New Works kann nur bereichernd sein“

Der deutsche Geschäftsreiseverband VDR fördert die Rahmenbedingungen für Bleisure und Workation seit Jahren wesentlich. Wir sprachen mit dem Präsidenten Christoph Carnier und Hauptgeschäftsführer Jens Schließmann über die Gründe, Wege und Chancen.

Christoph, der VDR ist gerade 50 Jahre alt geworden und Du engagierst Dich schon seit den 1990er Jahren hier. Jens, Du hast acht Jahre lang durch Deine Tätigkeit bei Lufthansa mit dem VDR gearbeitet und bist seit Mitte 2023 VDR-Hauptgeschäftsführer. Was muss ein Geschäftsreiseverband heute für eine Schlagkraft haben, um auf die neuen Trends reagieren zu können? Wie hat sich die Lobby-Arbeit verändert?

Christoph Carnier (CC): Die Lobby-Arbeit des VDR begann erst vor gut 20 Jahren und war damals noch entspannt, weil die Themen entspannter waren. Heute geht es unter anderem viel um Mobilitäts- oder Steuerthemen wie sie zum Beispiel bei Bleisure und Workation wichtig zu klären sind. Ob in Berlin oder Brüssel – die Ministerien entscheiden hier über vieles, was die Geschäftsreise betrifft, und wir suchen den Austausch, um Innovationen wie Mobilitätsbudgets nicht zu hemmen und um Regularien schlank zu halten. Denn Unternehmen scheuen sich, verstärkter in Innovationen zu investieren, wenn die Auflagen und Umstände zu kompliziert sind. Erfolgreich waren wir in diesem Sinne auch während der Corona-Pandemie, als Reisen zunächst komplett verboten wurden und wir bewirkten, dass Geschäftsreisen erlaubt blieben, weil die Wirtschaft weiterlaufen musste.

Jens Schließmann (JS)
: Der VDR konnte in den letzten Jahren einmal mehr deutlich machen, wie hoch der Wertschöpfungsgrad von Geschäftsreisen für unsere Wirtschaft ist, auch mithilfe unserer jährlichen Geschäftsreiseanalyse. Der Verband hat es geschafft, heute in Berlin bei vielen Themen Gehör zu finden und gefragt zu werden.

Der Blick auf die Ergebnisse der Geschäftsreiseanalyse 2024 zeigt, dass es in Deutschland zwar 2023 wieder deutlich mehr Dienstreisen als im Vorjahr gab, aber immer noch 40 % weniger als 2019. Zugleich sind die Ausgaben fast so hoch wie 2019. Eine verrückte Situation, oder?

CCDie gute Nachricht ist: Die Unternehmen haben 2023 viel Budget bereitgestellt, trotz und wegen der gestiegenen Kosten. Insgesamt wird inzwischen wieder gezielter darauf geschaut, wofür das Geld für eine Dienstreise ausgegeben wird. Damit steht der Zweck der Reise verstärkter im Mittelpunkt, samt CO2-Fußabdruck.

JS: Durch die Reiseeinschränkungen in den letzten Jahren ist deutlich geworden, wie wiewichtig der direkte Austausch und damit das Dienstreisen für die Menschen und die Wirtschaft ist. Inzwischen werden Reisen vermehrt gebündelt werden, ohne dass die Intensität leidet und indem wir nachhaltiger reisen. Und dass die Virtualisierung der Arbeitswelt auch Vorteile bringt, zeigen Beispiele wie das Thema Workation. 

Die Betonung liegt also auch in den Chancen.

JSJa, Geschäftsreisen werden in vielen Unternehmen heute auch mehr darin unterschieden, ob man seinen Kunden trifft oder intern reist, also Kolleginnen und Kollegen an anderen Standorten des Unternehmens trifft. Letzteres wird heute oft bunter gestaltet und auch mal anderen Budgets zugeordnet.

Zählst Du zu den internen Reisen auch Workation und Bleisure?

JS: Nein, weil Workation streng genommen keine Form der Geschäftsreise ist, da ich „nur“ meine Arbeit an einen anderen Ort verlege. Und Bleisure ist als Verlängerung einer Geschäftsreise um einen privaten Aufenthalt eine Steigerung der Attraktivität der Reise. Beides ist für uns ein Thema, weil wir uns von einem Geschäftsreiseverband sehr stark in Richtung Verband für ganzheitliches Mobilitätsmanagement transformieren. Das Travel Management ist durch viele Themen von außen heute mit vielen weiteren und neuen Aspekten konfrontiert. Einige sind dabei Nachhaltigkeitsthemen, andere im Bereich Human Resources (HR) verortet. Workation zum Beispiel ist ein HR-Thema, bei dem Travel Manager heute in vielen Unternehmen involviert werden.

Wie nehmt Ihr die „Reise“ von Bleisure und Workation wahr? Warum hat sich der VDR dazu entschieden, die Themen in Arbeitsgruppen etc. professionell zu begleiten?

CC: Die Corona-Pandemie war der Beschleuniger für viele Themen. Hier haben die Unternehmen die Erfahrung machen können, wie gut Remote Work geht und wofür man im Office sein sollte. Zudem gibt es Fachkräfte, die aus anderen Ländern stammen und einen Teil im Jahr von zuhause arbeiten wollen. Es hat sich zeigt, wie gut das in vielen Jobs funktioniert. Damit ergeben sich aber wieder neue Themen, wie Visa-Bestimmungen, Meldepflichten etc., bei denen sich Unternehmen und Mitarbeiter in einem gesetzeskonformen Rahmen bewegen müssen. Hier haben sich schnell Anbieter aufgestellt, die Meldungen übernehmen, Themen abfragen, Fristen im Blick haben usw.


JSLaut Geschäftsreiseanalyse haben 43 % der Unternehmen schon das Thema Workation umgesetzt und 33 % planen es. D.h. wir engagieren uns bei den Themen nicht aus Selbstzweck, sondern unterstützen die Unternehmen dabei, sich in den Regularien zurechtzufinden und sich über Best Practices dem Thema annähern zu können. Weil wir fest daran glauben, dass diese Form des New Works nur bereichernd sein kann, sowohl für Unternehmen wie auch für Arbeitnehmer. Wir wollen das Eingangstor für unsere Mitgliedsunternehmen sein, sich diesen Themen zu nähern.

Wie können sich auch Tourismusdienstleister wie Hotels und Serviced-Apartment-Anbieter hier noch besser aufstellen?

CC: Bei Unternehmen sehen wir im Moment verstärkt den Trend, die Mitarbeiter wieder in die Büros zurückzuholen. „Workation“ hat vor diesem Hintergrund bei manchen das „Geschmäckle“, dass manche Mitarbeiter eher den Fokus auf Urlaub haben. Wenn man vor diesem Hintergrund Hotels und Serviced-Apartment-Anbietern etwas empfehlen kann, dann ein Business Environment für ein professionelles Arbeiten zur Verfügung zu stellen. Dazu gehören vernünftige Dockingstationen, hohe Geschwindigkeiten, technischer Support, vielleicht auch Möglichkeiten, Arbeitszeiten zu registrieren.


JS: Der Zugang, sprich die Prozesse dahinter müssen einfach sein und einfach in das Travel Management integrierbar sein. Zudem sollte das Preisniveau vernünftig sein, damit man neue Angebote auch eher ausprobiert.

Welche nächste Bleisure- oder Workation-Reisen plant Ihr selbst?

CC: Ich bin generell viel unterwegs und es gewohnt, von überall zu arbeiten. Durch die immer besseren technischen Gegebenheiten, gehe ich daher auch bei einem Business Trip meinen „gewohnten Tätigkeiten“ nach, sei es ein Meeting oder andere Arbeitsroutinen. Für Freizeit oder Sightseeing nehme ich mir eher selten Zeit.

JSIch plane derzeit nichts in der Richtung – unterstütze aber zu 100 % die Idee von flexibler Arbeit. Denn wenn die technischen Rahmenbedingungen stimmen, sollte es unabhängig vom Ort überall möglich sein, effizient und erfolgreich zu arbeiten.

Vielen Dank für das Gespräch, lieber Christoph, lieber Jens!


Sylvie Konzack …

… ist seit vielen Jahren mit dem VDR im Austausch über die Bewegungen im Geschäftsreisemarkt und immer wieder angetan davon, wie sehr der Verband offen für Bleisure- und Workation-Themen ist.

 

Fotos: © VDR