„Funktioniert Remote Work beim Segeln auf einem Katamaran? Oder kann und will man wirklich auf einem Kreuzfahrtschiff mit tausenden Touristen ernsthaft arbeiten? Zwei Reisen auf dem Meer, zwei komplett verschiedene Workation-Erfahrungen.“ Kai Böcking, Sylvie Konzack
Ankommen im Oktober im sommerlichen Barcelona, dem Heimathafen der Teamspirit. Ankommen im charmanten Chaos. Kendy, der Technikchef, fasst noch gefühlt jedes Bauteil des Katamarans an. Geertje, die 2023 eine Grönland-Expedition gemacht hat, nimmt das erste Mal einen Schlauchboot-Motor auseinander, als wenn sie nie etwas anderes getan hätte. Ich putze bald die Kabinenlüfter, beziehe Betten, räume auf – der Start einer Weltumseglung fühlt sich alltäglicher an als erwartet. Aber am Ende ist es wohl die ehrlichste Anspannung für den Start solch eines Trips.
Michael, der Mann mit dem Hut und fokussierten Blick an Bord, hatte schon 2015 eine Weltumseglung unternommen. Damals mit seiner Polaris, einer Hanse 47, 15 Monate lang mit wechselnden Mitseglern. Die Hochseeyacht war oft selbst sein Hochseebüro mit Satellitentelefon, UKW und Wi-Fi-Netzen für das Weiterlaufen seiner Teamgeist AG nahe Berlin, die Weltumseglung für ihn ein erfüllter Lebenstraum. Jetzt scannt Michael alles auf der Teamspirit, die mit ihren vielen Automatiksystemen komfortabler und einfacher zu segeln ist als die Polaris. Morgen schon soll die Go-for-Teamspirit-Tour starten. Als Christoph ankommt, fällt die Entscheidung mit Blick auf die vielen Baustellen auf übermorgen. Christoph ist diesmal der Skipper und wird nun ca. acht Monate unterwegs sein. Mit einer Vierer-Crew, die alle zwei bis vier Wochen wechselt, mit Menschen, die in Gemeinschaft einen „Ausstieg auf Zeit“ suchen – und mit Internet für die, die auch arbeiten wollen (via Starlink in Ufernähe kostenfrei, auf See mit Gebühr). Christoph wird zu den Remote Workern dazugehören. Für seine Firmen in der deutschen Heimat hat er zwar Geschäftsführer eingesetzt, an Bord will er aber jeden Tag zwei Stunden arbeiten. Ansonsten hat er für seinen Traum von der Weltumsegelung fast alles zuhause abgemeldet. Denn nun warten auf ihn die Törns auf die Kanaren, dann die Atlantik-Überquerung und die Karibik und nach dem Panamakanal schließlich die Weite der Südsee.
Michael, vier weitere Personen und ich sind nur in der allerersten Woche dabei, wenn es von Barcelona nach Alicante geht. Mit an Bord ist auch Katja, die Schauspielerin, Ricco, der Gastronom, Aaron, der Direktor des neuen 360 Grad Teamgeist Resorts bei Berlin, und Sven, der eine der Teamgeist-Firmen in Deutschland managt. Bis auf Katja und mich kennen sich alle schon seit Jahren und sind bereits häufiger miteinander gesegelt. Trotzdem liegt eine besondere Stimmung in der Luft, vor allem als wir uns am Abend mit Filmen der ersten Weltumseglung einstimmen – viele Geschichten von wildem Wetter, viele Erlebnisse mit Crew und Menschen in fernen Ländern, das Reisen und Träume leben in Reinform. Auch als wir uns am nächsten Tag gemeinsam in Barcelona die Schiffsgiganten ansehen, die anlässlich des 35. America’s Cup in der Stadt sind, steigt die Anspannung.
Und dann geht es endlich los. Für mich ist es nicht der erste Törn, mit Freunden war ich schon öfter in der Adria Schönwetter-Segeln und habe es immer genossen. Jetzt, als wir mit wehender Teamspirit-Flagge bei schönstem Sonnenschein den Hafen verlassen, ahne ich schon, dass mein Respekt vor der Reise jeden Grund hatte. Wir rasen bald schräg über das Mittelmeer, die Segel gehisst, das Schiff permanent am nervösen Vibrieren. Wir wollen Strecke machen bis Valencia, über Nacht segeln, auch weil danach das Wetter umschlagen soll. Die Stimmung ist gut, wir fangen sogar einen Thunfisch. Doch bald überkommt mich und ein, zwei andere ein dauerhaftes Übelgefühl. Ich liege bald wie festgewurzelt auf einem Außenplatz und starre in den Horizont, Remote Work für den Moment unmöglich. Das ist also Seekrankheit, die mir bisher immer erspart gelieben ist. Doch irgendwann am nächsten Nachmittag ist Valencia in Sicht, es wird wieder lauter an Bord. Die Crew zelebriert wieder das Leben. Zum Arbeiten und Artikelschreiben an Bord komme ich in den nächsten zwei Tagen ebenso, auch weil wir wegen eines Sturms nicht hinausfahren. Wir schauen uns zusammen die Stadt an, essen unseren Thunfisch in zig restaurant-tauglichen Varianten, genießen Dolce Vita an Bord und an Land.
Im Morgengrauen geht es dann weiter Richtung Alicante. Jeder hat inzwischen seine Position an Bord, mit der Küste auf der einen Seite und dem Sonnenaufgang auf der anderen segeln wir ins absolute Glück aus Wind, Wellen, großer Freiheit. Nichts braucht es mehr, alte Themen sind weit weg und neue Ideen gewinnen Raum.
Sea@Work, wenn man nicht nur am Laptop sitzen will.
Kai Böcking: Hauptsache keine Party-Kreuzfahrt
Kreuzfahrten waren für mich als Bleisure Traveller nie ein Thema. Schlechte Internetverbindung, teure Datenpakete und überhaupt: Wer will ernsthaft auf einem dicken Dampfer mit tausenden Touristen arbeiten?
Auch ich startete mein Sea@Work beim America‘s Cup 2024 in Barcelona. Bei einer Stippvisite schaute ich mir dort das neueste Schiff des Kreuzfahrt-Giganten MSC an. Hier wäre alles anders, hieß es, Arbeiten an Bord sogar ein Verkaufsargument, mehr gehe nicht auf dem prallvollen Markt der schippernden Weltenbummler. –
Ich beschließe, meine Vorurteile über überfüllte Mega-Buffets, laute Daueranimation und randvolle Minipools mal über Bord zu werfen. Einige Wochen später betrete ich die Explora 1, das erste von insgesamt sechs geplanten Luxus-XXL-Yachten mit All-Inclusive-Angeboten. Ich werde vier Tage von Bodrum nach Athen fahren und wie immer remote arbeiten. Und ich will meine Ruhe haben und keine Landausflüge oder Bordtänze erleben. All das verspricht Explora Journeys ihrer Klientel. Dazu ein (fast) All-Inclusive-Angebot und eben viel Platz und viel Datenvolumen.
Ich checke im türkischen Bodrum direkt auf dem Schiff ein, bei einem der vielen motivierten Mitarbeiter. Erster Eindruck: Italienisches, feinstes Yachtdesign trifft Sterne-Hotel. Poliertes Holz, helle Böden, breite Gänge, dezentes Licht, eine Kunstaustellung mit Originalen von Roy Lichtenstein und Andy Warhol, sechs Restaurants, Bars, vier Außenpools, dazu Spa, Fitness und – kaum Trubel. Die anderen Gäste scheinen genauso wie ich darauf aus zu sein, hier eine gute Zeit zu haben, aber keine Party-Kreuzfahrt.
Das Schiff hat 461 Suiten, Residenzen und Penthäuser, alle mit Balkon oder Terrasse und je nach Größe mit Außen-Whirlpool sowie getrenntem Schlaf- und Esszimmer. Ein Butler-Service ist inklusive, genauso der Rund-um-die-Uhr-Zimmerservice. Meine Ocean Suite Terrace ist mit 35 qm die Kleinste, hat einen begehbaren Kleiderschrank, ein King-Size-Bett, eine Sofaecke und einen Schreibtisch mit Ladeleiste. Eine Enge, wie ich sie von meinen wenigen Kreuzfahrtreisen kenne, ist hier nicht zu spüren. Der Butler hilft nicht nur beim Auspacken, sondern bestückt auch die Minibar.
Auf meiner kurzen Route wird nachts gefahren und tagsüber an Land gegangen. Oder meine Strategie: Ich bleibe genau dann an Bord, wenn alle Paros, Rhodos oder Katapola überfallen. Denn auch die Explora kann nicht verhindern, dass wir nie das einzige Schiff vor Anker sind und sich damit täglich eine Touristenflut auf die Inseln ergießt.
Mir soll es, zurückgelieben auf dem schwimmenden 5-Sterne-Hotel, recht sein. Im Conservatory Pool unter einem gewaltigen, schließbaren Glasdach, kann ich sogar früh morgens meine Bahnen ziehen, das ist wirklich überraschend. Die anderen drei Pools bieten ebenso das, was dieses Schiff vielleicht wirklich anders macht: Platz und Ruhe, kein Liegenkampf, keine laute Musik.
Auch das kulinarische Angebot, bis auf ein spezielles Degustations-Menü im Anthology Fine Dining Restaurant, ist nicht nur inklusive, es ist vor allem exklusiv. Es gibt keine Buffets – wow! Von Japanisch bis Steakhouse, vom Fischrestaurant bis zum Breakfast Spot – alles wird persönlich an den Tisch gebracht. Oder man lässt sich die Köstlichkeiten direkt auf seine Terrasse liefern.
So trotte ich also den ganzen Tag mit meinem Laptop unter dem Arm auf dem Schiff umher. Nehme hier einen Kaffee in einer der Lounges, da einen Orangensaft am Pool, den Aperitivo bei Sonnenuntergang an der Sky Bar, den Night Cap auf meinem Balkon – und das Wi-Fi lässt mich keine Sekunde im Stich. Die Mitarbeiter zeigen mir ein Video von der Atlantik-Überfahrt, bei der man einträchtig und mit bester Qualität den Super Bowl anschauen konnte.
Dass ich im Mittelmeer gut vernetzt bin, hatte ich erwartet. Sollte ich also mal mit einem der Explora-Schiffe über den Atlantik fahren, mache ich den Nur-Wasser-Sehen- und Wi-Fi-Härtetest. Das ist dann sicher noch einmal eine ganz andere Sea@Work-Reise.
Kai Böcking & Sylvie Konzack …
… waren beide überrascht, was technisch schon auf dem Meer in Sachen Remote Work geht. Wer das Meer liebt und das passende Kleingeld investieren will, kann hier ganz außergewöhnliche und vor allem ganz verschiedene Workation-Erfahrungen machen.
…were both surprised at what is already technically possible in terms of remote working at sea. If you love the sea and are willing to invest the appropriate change, you can have some extraordinary and, above all, very different workation experiences here.
info go-for-teamspirit-tour
Seit Oktober 2024 ist die Teamspirit, ein Katamaran Lagoon 42, für die Teamgeist AG auf den Weltmeeren unterwegs. Nach dem Start in Barcelona machte sie Halt in Alicante, Gibraltar, Gran Canaria sowie auf den Kapverdischen Inseln und überquerte vor Weihnachten den Atlantik mit Stopp in St. Lucia in der Karibik. Gerade hat die Teamspirit den Panamakanal Richtung Südsee durchquert. Die Crew wechselt alle 4 Wochen. Bis 2030 sollen mehrere Routen im Rahmen der Go-for-Teamspirit-Tour starten.
Weitere Infos und Routen unter go-for-teamspirit.com. Wer Interesse hat mitzufahren, kann sich auch unter info@bleisuretraveller.com melden, es gibt noch Restplätze.
info explora
Explora I und II sind bereits unterwegs. Explora III folgt 2026 und wird, wie alle weiteren Schiffe, mit Flüssigerdgas betrieben. Einwegplastik ist an Bord verboten. Alle Schiffe erhalten das Rina-Dolphin Certificate, das besonders wenig Unterwasserlärm bestätigt, um die Tier- und Pflanzenwelt zu schützen.
Die Routen: Mittelmeer, Karibik, Nordrouten
Länge: 248 m, Verhältnis Staff/Passagier: 1.25 : 1
Einige Pools und Lounges sind Adults only!
Die Kreuzfahren werden als All-inclusive-Pakete angeboten, bis auf Spa-Leistungen, spezielle alkoholische Getränke, Landausflüge und besondere Menüs. Wi-Fi ist inklusive und überall auf dem Schiff empfangbar.
Explora I and II are already in service. Explora III will follow in 2026 and, like all future ships, will be powered by Liquefied Natural Gas (LNG). Single-use plastic is banned on board. All ships have been awarded the Rina-Dolphin Certificate, which confirms that they produce particularly little underwater noise in order to protect the flora and fauna.
Routes: Mediterranean, Caribbean, Northern routes
Length: 248 m, Staff/passenger ratio: 1.25 : 1
Some pools and lounges are adults only! Cruises are offered as all-inclusive packages, except for spa services, special alcoholic beverages, shore excursions and special menus. Wi-Fi is included and can be taken advantage of anywhere on the ship.
Fotos: © Konzack, Böcking, MSC