Bleisure-Trends
BLEISURE Bleisure-Trends WORKATION

Wie gut funktioniert Workation derzeit?

„20, 30, 60 Tage – viele Unternehmen haben inzwischen ihre Reiserichtlininen um mögliche mobile Office-Tage im Ausland ­ergänzt. Die Mitarbeiter probieren sich aus. Arbeitgeber stecken Möglichkeiten ab. Wer hat welche Erfahrungen? Ein paar Stimmen und Modelle.“
Sylvie Konzack

Am besten war die Wanderung zum Machu Picchu und der Karnevalsbesuch in Rio, erzählen Vanessa Wurster und Lisa Bleser im Blog ihres Arbeitgebers Akku Sys, ein Großhändler für Energiespeicher mit Sitz bei Hamburg. Drei Monate waren die Head of E-Commerce und Head of Online-Marketing in Südamerika unterwegs, einen Teil davon als Urlaub, der andere Teil im Remote-Work-Modus. „Bei uns arbeiten im E-Commerce-Bereich einige Kollegen remote aus anderen deutschen Städten und auch mal für ein paar Wochen aus dem Ausland“, sagen sie. Das funktioniere seit Jahren gut und ist in den Arbeitsablauf integriert. Es war also keine Überzeugungsarbeit nötig, um die Reise genehmigt zu bekommen.
Wegen der Zeitverschiebung sind die beiden Millenials häufig 5 Uhr morgens aufgestanden und arbeiteten einen halben Arbeitstag in Echtzeit via Videocalls und Mails mit dem Team in Deutschland zusammen. Den Nachmittag nutzten sie für Ausflüge. Und um im Zweifel stets erreichbar zu sein, checkten sie oft in Co-Working Hotels ein und hatten immer eine lokale SIM-Karte mit viel Datenvolumen dabei.

2x so oft wie inländische Mitarbeiter beantragen
internationale Mitarbeiter Workation-Reisen (WorkFlex).

Für Akku Sys stehen Vanessa Wurster und Lisa Bleser Pate für die „Erfolgsformel“ Workation. Die HR-Leiterin Manuela Biesterfeldt erklärt in einer Pressemitteilung: „Flexible Arbeitsmodelle tragen nicht nur zur Zufriedenheit bei, sondern sind auch ein Zeichen des Vertrauens, das wir unseren Mitarbeitenden entgegenbringen.“ Der Geschäftsführer ­Joachim Koop ergänzt: „Wenn wir unser eingeschlagenes Wachstum einhalten wollen, dann ist unsere Haltung zu modernem Arbeiten ein elementarer Faktor. Die Möglichkeit – wenn organisatorisch darstellbar – von anderen Orten der Welt aus zu arbeiten, ist nicht nur attraktiv für bestehende und potenzielle Mitarbeitende, sondern ermöglicht uns auch, das eigene Netzwerk zu vergrößern.“
Mit der Netzwerkvergrößerung sind vor allem auch Talente aus der Gen Y im Visier. Diese finden es inzwischen zu über 80 % als (sehr) wichtig, so eine PwC-Studie, Workationmöglichkeiten zu haben, wenn sie sich nach neuen Arbeitsmöglichkeiten umsehen. Der niederländische Softwareentwickler WorkFlex, der Unternehmen bei Workation-Systemen und -Anträgen unterstützt, rechnet damit, dass die Gen Z künftig in der Arbeitswelt ebenso mindestens so viele Workations anfragen wird. Insgesamt hat WorkFlex bis letzten Sommer bei seinen Kunden 10.000 Workations in 129 Ländern gezählt und verweist – über die Gen Y und Z hinaus – auf eine weitere Workation-Zielgruppe: internationale Fachkräfte.
„Sie beantragen doppelt so oft Workation-Reisen wie inländische Mitarbeiter“, so der Rechtsanwalt Pieter Manden, der WorkFlex 2021 mit Patrick Koch gegründet hat. Die meisten wollen die Heimat besuchen. Gerade für Firmen mit vielen internationalen Mitarbeitern sind ausreichende Workation-Angebote also ein wichtiges Recruiting- und Bindungsinstrument.

66 % mit Workation-Regelungen

Tatsächlich zeigt die Wirtschaft quer über alle Branchen hinweg seit einigen Monaten deutlich mehr Workation-Flagge. Das Magazin Business Insider hat im letzten Sommer 52 große Unternehmen in Deutschland gefragt, welche Remote-Regelungen bei ihnen gelten. Darunter waren die 40 Dax-Unternehmen, einige MDax-Unternehmen, aber auch deutsche Niederlassungen von Tech-Konzernen wie Microsoft oder Amazon. 46 antworteten – 31 davon und damit zwei Drittel sagten, dass bei ihnen Mitarbeiter für eine gewisse Zeit aus dem Ausland arbeiten können. Neun prüfen dies aktuell, nur zwei haben bislang keine Regelung.

Für uns war die Team-Workation ein Experiment,
das für alle zum Jahres-Highlight wurde.
Jens Huwald, Managing Partner of Wilde & Partner

Auch WorkFlex listete im letzten Sommer fast 120 Unternehmen mit jährlichen Work-from-Anywhere-Tagen auf (siehe Grafik). Die Spannweite reicht von zehn Tagen beim Sporthersteller Adidas über 60 Tage beim Pharma-Riesen Merck bis zu 180 Tagen beim Online-Portal Idealo. Das Gros liegt aktuell bei 30 Tagen im Jahr, was u. a. SAP, die Deutsche Bahn, Aldi Süd und Zalando bieten. Viele der Firmen arbeiten dabei in Erfahrungsrunden, die der Softwareentwickler moderiert, zusammen und diskutieren über
Compliance-Regelungen, Steuer- und Sozialversicherungsbedingungen etc., die Beschränkungen notwendig machen. Auch bei der Länderauswahl: Die Firmenmehrheit (57 %) erlaubt aktuell Workations nur innerhalb der EU, so WorkFlex. 29 % sind wiederum weltweit offen – aber nur theoretisch. Wenn im Einzelfall der Arbeitnehmer z.B. Tätigkeiten im Ausland ausübt, die ein hohes Risiko für eine Betriebsstättengründung bedeuten, wird der Antrag abgelehnt.

Workation hat viele Facetten

Es lohnt sich, Workation-Angebote in Unternehmen kreativ und proaktiv zu denken, erst recht wenn nicht jeder Job per se Workation geeignet ist. Die Adina Hotels z. B. haben für sich das bewährte Modell des Austauschprogramms neu entdeckt. Seit Herbst 2023 sind in dem Projekt „Go Global“ zwei Kollegen aus dem australischen Headquarter und zwei aus dem europäischen Headquarter in Berlin bis zu sechs Monate auf dem anderen Kontinent unterwegs. Ob Sydney, Brisbane oder Melbourne, ob Berlin, München oder Kopenhagen – sie arbeiten jeweils ein paar Wochen bei den Kollegen in den verschiedenen Aparthotels und können dort auch gleich wohnen. Das Programm richtet sich an jeden, egal ob er an der Rezeption arbeitet, im Management oder in den Head Offices.

8,5 statt 4,2 Tage dauert inzwischen ein Workation-Aufenthalt im Durchschnitt (WorkFlex).

„Das Ziel ist es, den Austausch zu fördern, sowohl mit Blick auf betriebliche Prozesse wie auch auf persönlicher Ebene, und gleichzeitig eine einzigartige Gelegenheit zu bieten, das berufliche und persönliche Lernen in einem neuen kulturellen Kontext zu beschleunigen“, erklärt Agnes ­Lindner, Director of People & Capability bei Adina Hotels Europe, die für 2024 bereits die zweite Runde plant. Angela di Gennaro, eine deutsche Teilnehmerin, sagt: „Mehrere Monate in Australien zu verbringen und tief in die Kultur eintauchen zu können, ohne den sicheren Job zuhause aufgeben zu müssen – das ist ein absoluter Traum.“ Auch aus beruflicher Perspektive konnte sie bereits viel lernen.

Workation im Team

Teams, die viel remote arbeiten, brauchen öfter Team Workations, betonen Experten. Aber letztlich profitiert natürlich jedes Team davon. Die Münchner Tourismus-PR-Agentur Wilde & Partner hat mit ca. 60 Mitarbeitern im letzen Sommer sechs Wochen lang jede Woche ein anderes Team aus der Zentrale nach Mallorca entsendet. Unter dem Motto #Wilde­Finca gingen diese dort tagsüber normal dem Joballtag nach, in ihrer Freizeit entdeckten sie zusammen die Insel, wobei Partnerschaften mit Agenturkunden von der Airline über den Mietwagen bis zur Finca zum Tragen kamen. „Für uns war es ein Experiment, das für alle zu einem Jahres-Highlight wurde. Die Motivation ist gewachsen und hält an“, sagt der Agenturchef Jens Huwald und betont zugleich, wie zuverlässig alle vor Ort gearbeitet hätten. Die Wochenteams wurden aus verschiedenen Abteilungen gemischt, wobei aus der Geschäftsleitung keiner dabei war. Die Teams reisten immer dienstags an und hatten einen Teamleader, der täglich reportete. „Zudem haben wir jedem Team ein Thema mitgegeben, das es für unser Unternehmen weiterdenken sollte. Wir sind jetzt dabei, diese Ergebnisse im Münchner Büroalltag weiterzuverfolgen. Das ist auch eine Challenge“, berichtet Jens Huwald.

Tourismusanbieter mit Gesamtkonzepten

Zwischen Anfang 2022 und dem Sommer 2023 ist die durchschnittliche Dauer eines von WorkFlex unterstützten Workation-Aufenthalts von 4,2 auf 8,5 Tage gestiegen. Für Tourismusexperten wie Jens Huwald zeigt sich nicht zuletzt an solchen Zahlen, dass der Worka­tion-Trend auch für seine Branche immense Chancen birgt. Tourismusanbieter müssten sich darauf aber auch mit durchdachten Konzepten einstellen, betont er, allen voran bei der IT-Infrastruktur. Ein bißchen geht hier nicht.
Auch Lufthansa City Center (LCC) ist mit seinen über 565 Reisebüros in 105 Ländern bereits seit einigen Jahren engagiert bei den Themen Bleisure und Workation. Dabei herrsche im klassischen Mittelstand und den globalen Unternehmen immer noch „recht viel Regulierung sowie organisatorische Hindernisse, die dem Modell hier und da entgegenstehen“, sagt der LCC-Managing Director ­Markus Orth. „Bedienen könnten wir es sehr gut, denn wir haben neben den Geschäftsreiseeinheiten sehr professionelle Touristikbüros, die tolle Kombinationen für Workation bauen können.“ Noch dazu könne man für touristische Buchungen als einziges Reisebüro in Deutschland Meilen bei Miles & More sammeln. Und Markus Orth ergänzt: „Es ist gut, dass Ihr mit Eurem Magazin immer wieder die Möglichkeiten aufzeigt, wie man die Hürden bei ­Bleisure aus dem Weg räumen kann.“


Sylvie Konzack …

… glaubt mit Blick auf diese Workation-Trends fest an einen Standardfaktor Workation in Arbeitsverträgen und Reiserichtlinien. Dies als Teil eines Straußes an Arbeitnehmer-Benefits. Auch die Dienstleister gewinnen rund um das Thema immer mehr an Know-how – von automatisierten Antragstellungen bis hin zu immer besseren Tourismuskonzepten vor Ort.

 

Foto: © Sylvie Konzack, Workflex