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Top-8-Wissen zu Remote Work

„Remote Work ist vielleicht die Königsdisziplin des flexiblen Arbeitens, vor allem außerhalb des Zuhauses. Bisher war die Arbeitsform primär ein Thema unter Selbständigen. Nun entwickelt sie sich zur neuen Begehrlichkeit auch für Arbeitnehmer – und im Idealfall zur Chance für Unternehmen. Acht Fragen und Antworten zum Thema.“ Sylvie Konzack

Carina hat es als Angestellte eines Modeunternehmens gerade geschafft, in ihrem Arbeitsvertrag festzuschreiben, vier Wochen im Jahr remote arbeiten zu dürfen – und dies nicht nur von zu Hause aus. Yvonne wechselt als langjährige Führungskraft in einem Automobilunternehmen gerade ihre Funktion und verhandelt einen neuen Arbeitsvertrag, der u. a. Remote-Work-Möglichkeiten an diversen Orten der Welt ermöglicht. Und Teresa berät derzeit eine stetig steigende Zahl an Unternehmen darin, wie Büropräsenz-Teams künftig im hybriden Mix aus Büro vor Ort und remote effektiv arbeiten können.

Allein in Deutschland, sagt Teresa, gibt es mindestens ein dutzend Unternehmen, die seit ihrer Gründung keinen festen Office-Standort haben. Alle Mitarbeiter arbeiten flexibel und hybrid von anderen Orten und Plätzen aus und organisieren sich im Team über digitale Tools – was die Unternehmen als ihren USP verstehen.
„Auch aus rein rechtlicher Sicht ist Remote Work bereits heute in vielerlei Ausprägung möglich, zugleich ist vieles zu beachten“, sagt der Professor für Wirtschafts-, Arbeits- und Sozialrecht an der Hochschule Harz André Niedostadek. Der Gesetzgeber wird hier in den nächsten Jahren die Rahmenbedingungen noch detaillierter abstecken müssen, sagt er, zum Schutz der Remoter Worker und Arbeitgeber. Denn wie so oft, ist die Realität weiter, und viele leben bereits das Konzept Remote Work, ohne in jedem Fall rechtlich abgesichert zu sein.
Der Bleisure Traveller hat acht Fragen und Antworten zum Konzept und zu Umsetzungsmöglichkeiten aufgelistet:

1. Was ist Remote Work?

Grundsätzlich geht es um ein ortsunabhängiges Arbeiten, also um das Arbeiten unabhängig von einem festen Bürostandort eines Unternehmens. Dies kann das klassische Zuhause sein, aber auch das Arbeiten an jedem anderen beliebigen Ort eigener Wahl. Remote Work kann temporär einige Tage, Wochen oder Monate stattfinden oder dauerhaft, indem z. B. ein Mitarbeiter vertraglich generell außerhalb der Firmenbüros arbeitet oder das Unternehmen keine festen Büroräume hat. Mit Remote Work gehen häufig flexible Arbeitszeitenregelungen einher.

2. Was ist Workation im Unterschied zu Remote Work?

Workation gehört unmittelbar in die New-Work-Welt mit Remote Work & Co. Allerdings meint der Begriff primär einen Arbeitsurlaub, also das Arbeiten und Erholen während eines Aufenthalts. Workation-Aufenthalte werden oft mit Kollegen und/oder Gleichgesinnten unternommen. Und gerade Teams, die viel remote zusammenarbeiten, nutzen Workation-Trips als Teambuilding und gemeinsame Präsenzarbeit an einem inspirierenden Ort. Häufig werden dabei Workshops veranstaltet, oder es finden Team-Incentives statt.

3. Warum sind Remote Work und Workation Themen, die bleiben?

Mit der Digitalisierung der Arbeitswelt, neuer Berufe und automatisierterer Abläufe sind die Möglichkeiten für ein orts- und zeitlich unabhängiges Arbeiten bereits länger vorhanden. Ereignisse wie die Corona-Pandemie haben gezeigt, wie realisierbar und effektiv Arbeitsprozesse auch unabhängig physisch fester Arbeitsplätze sein können. Ob aus wirtschaftlichen Gründen oder mit Blick auf neue Mitarbeiterwünsche – viele Unternehmen stellen derzeit ihre Arbeitsorganisationen um. Experten prognostizieren, dass die meisten auf hybride Prozesse setzen werden, also auf einen Mix aus Präsenz- und Fernarbeit. Nur wenige werden auf 100 Prozent Remote Work umstellen oder auf diese Weise neu gründen. Zugleich sagen Experten: Wer keine Remote-Work-Angebote in seinem Unternehmen schafft, wird künftig Schwierigkeiten haben, als attraktiver Arbeitgeber bei bestehenden und neuen Mitarbeitern wahrgenommen zu werden.

Remote Work und Workation sind feste Konzeptbestandteile von New Work. Dies wiederum lässt sich verstehen als zeitlich flexibles, ortsunabhängiges, selbstbestimmtes und damit Sinn orientiertes Arbeiten. Der Job wird mit den eigenen Lebenswünschen besser in Einklang gebracht – dies bei Selbständigen und Unternehmern wie auch Angestellten. Für Arbeitgeber setzt dies ein Leadership-Wechsel, weg von Kontroll- hin zu Vertrauenswerten voraus. Hinzu kommt ein neues Reiseverständnis, indem es um ein sinnvolles und nachhaltiges Verbinden von beruflichen und privaten Reisen geht.

4. Für wen ist Remote Work ein Thema?

Für jeden, der einmal oder regelmäßig ortsunabhängig arbeiten möchte – also kein Wunsch, der auf jeden zutrifft. Bisher haben vor allem digitale Nomaden, also Vertreter digital affiner und freier Berufe, die Möglichkeit zu Remote Work genutzt. Inzwischen zählen dazu auch andere Freischaffende und Selbständige – und auch immer mehr Angestellte im Zuge der Pandemie-Erfahrungen.

5. Welche Vorteile bietet Remote Work?

Remote Work hilft, bei bestimmten Tätigkeiten konzentrierter, inspirierter und damit effektiver und innovativer zu arbeiten. Selbständige und Unternehmen können damit ihre Performance und ihren Umsatz steigern – langfristig. Zudem lässt es sie, wie auch ihre Teams, flexibler und sinnreicher mit Wünschen und wechselnden Lebens- und Arbeitsumständen umgehen. Mithilfe von Remote Work sind also Mitarbeiter zufriedener, motivierter und stressbefreiter – und Arbeitgeber sind wertschätzend und steigern ihre Attraktivität, ihr Employer Branding und ihre Recruiting-Erfolge.
Nicht zuletzt sparen Unternehmen und Freiberufler auch Büro- und Reisekosten und leisten einen Beitrag zur Nachhaltigkeit.

Frau sitzt am Tisch für Videocall

6. Gibt es rechtliche und betriebliche Ansprüche auf Remote Work?

Bisher nicht und ohnehin nicht pauschal mit Blick auf die unterschiedlichen Formen. Wenn es rechtliche Regelungen gibt, geht es bisher um Themen wie den klassischen Telearbeitsplatzz, sagt der Jurist André Niedostadek. Grundsätzlich gilt: Während Selbständige und Freiberufler die freie Entscheidung haben, müssen Angestellte Remote Work stets mit dem Arbeitgeber vereinbaren – es bedarf seiner Erlaubnis. Im Idealfall können dies beide bereits im Arbeitsvertrag festhalten. Themen wie Arbeitszeiten, Kommunikationswege, Kostenübernahmen, Datensicherheit etc. sollten dann konkret geregelt werden. Hinzu kommen, besonders bei ferneren Aufenthalten, Aspekte wie Fürsorgepflicht, Versicherungen, Steuern etc. zur gegenseitigen Absicherung. Bei Selbständigen gilt: Auch wenn sie grundsätzlich selbst entscheiden, wo und wie sie remote arbeiten, unterliegen auch sie den rechtlichen Bedingungen vor Ort, die in jedem Land verschieden sind.

7. Wie leicht ist Remote Work aus rechtlicher Sicht umsetzbar?

„Remote Work betrifft grundsätzlich verschiedene Rechtsbereiche: Arbeitsrecht, Sozialversicherungsrecht, Steuerrecht, Datenschutzrecht etc.“, hebt André Niedostadek hervor. Innerhalb des eigenen Landes ist Remote Work rechtlich unproblematisch umsetzbar, weil hier grundsätzlich keine Bewegungseinschränkung herrscht und die Bedingungen bei Themen wie Sozialversicherungspflicht, Steuern etc. in der Regel unverändert bleiben. Etwas verzwickter wird es, wenn man im Ausland arbeitet. Grundsätzlich gilt das Territorialitätsprinzip, d.h. dort wo ich tätig bin, unterliege ich dem jeweiligen Recht vor Ort, informiert André Niedostadek. In fast allen Bereichen entstehen damit grundsätzlich umfassende Pflichten.

Beim Thema Sozialversicherungspflicht gilt eigentlich, dass Mitarbeiter im Ausland grundsätzlich dem dort geltenden Sozialversicherungsrecht unterworfen sind und gegebenenfalls abgabepflichtig sind. „Aber das wäre bei einem vorübergehenden Aufenthalt in einem anderen Land wenig sinnvoll“, sagt der Jurist. Bei einer Entsendung, also einem zeitweise Tätigwerden im Ausland auf Weisung des inländischen Arbeitgebers, bleibt unter definierten Bedingungen inländisches Sozialversicherungsrecht anwendbar, auch wenn der Mitarbeiter ausschließlich im Ausland tätig wird. „Theoretisch darf man bis zu zwei Jahre als Angestellter wie auch Selbstständiger im EU-Ausland remote arbeiten. Voraussetzung ist der Nachweis einer A1-Bescheinigung“, so André Niedostadek. Auch Mitarbeiter, die regelmäßig in zwei EU-/EWR-Mitgliedstaaten tätig sind, sind per A1-Bescheinigung trotz des Auslandsbezuges nur am Wohnsitz sozialversicherungspflichtig, wenn sie dort weiter einen erheblichen Teil ihrer Arbeit erbringen. „Aber aufgepasst“, warnt er. „Eine entsprechende Bescheinigung ist für jede Auslandsentsendung zu beantragen, egal, wie lang oder kurz sie ist.“ Und er ergänzt: „Nimmt jemand eine Tätigkeit im Ausland auf, während man dort schon lebt, liegt keine Entsendung vor.“
Außerhalb der EU ist das Thema Sozial- und Krankenversicherung bei längeren Aufenthalten individuell geregelt. Viele Länder haben hier aber bereits individuelle Abkommen geschlossen.

Auch bei steuerrechtlichen Pflichten gilt das Territorialitätsprinzip – und dies greift sehr schnell mit verschiedenen Pflichten. Für Staaten ist hier vor allem auch die Frage relevant, inwiefern mit der Tätigkeit steuerliche Vorteile für den Remote Worker verbunden sind. Zu klären ist entsprechend auch, inwiefern der im Ausland tätige Angestellte Verträge verhandeln, anbahnen oder abschließen darf. Manche Experten empfehlen zur Risikovermeidung, dass man dem Mitarbeiter in einer Homeoffice-Vereinbarung die Verhandlung und den Abschluss von Verträgen im Ausland untersagt bzw. die steuerrechtlichen Folgen vorab genau prüft.

Beim Thema Arbeitsrecht ist ggf. eine separate Aufenthalts- und/oder Arbeitsgenehmigung notwendig. Immer greift das Arbeitsschutzrecht des jeweiligen Landes, in dem der Mitarbeiter im Ausland tätig ist. Hinzu kommt häufig ein Günstigkeitsvergleich: Sieht das Arbeitsrecht des anderen Landes z. B. einen gesetzlichen Zuschlag für Überstunden vor, so hat der Mitarbeiter einen Anspruch darauf.

8. Inwiefern öffnen sich Länder und touristische Anbieter für das Thema?

Immer mehr. Regierungen schließen gemeinsame Abkommen, einzelne Länder bieten Remote-Work-Visa für mehrere Monate an. Großstädte, Tourismusdestinationen, ländliche Regionen u.a. entwickeln, vor allem nach Corona, Remote-Work-Angebote und fördern Co-Working- und Co-Living-Gründungen, bauen WLAN-Angebote aus etc. Hotel- und Apartmentanbieter wiederum machen in Städten und auf dem Land immer mehr Longstay- und Workation-Angebote. Auch Besuche von Familien und Freunden sind dabei oft auf attraktive Weise möglich.
Die Möglichkeiten, für eine begrenzte Zeit an einem anderen Ort zu leben, ohne vollständig umziehen oder auswandern zu müssen, sind damit so groß wie nie.


Sylvie Konzack …

sieht in Remote Work eine echte Arbeits-, Lebens- und Reiseform der Zukunft – natürlich nicht für jeden Job und für jeden Typ von Mensch. Aber doch eignet sich Remote Work zumindest teilweise oder gelegentlich für viele, egal in welchem Arbeitsverhältnis und auf welcher Ebene. Wichtig ist, dass die Gesetzgeber hier bald die richtigen Rahmenbedingungen für Selbständige wie auch Arbeitnehmer und Unternehmen schaffen.

Fotos: © iStock_Wavebreakmedia, © iStock_Tom Mertom, © iStock_AleksandarNakic

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