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Fremd, schön, Georgien

„Eine Dienstreise ins schöne Tiflis – und danach ein Bleisure-Trip in sicherer Abgeschiedenheit? Die Weinberge Kachetiens sind ein besonderer Tipp.“ Sabine Galas, Chefredakteurin Business Traveller Deutschland

Die erste Überraschung wartet gleich hinterm Flughafen: Eine vierspurige Straße führt ins 20 Kilometer entfernte Tiflis. Sie ist breit, stark befahren und heißt: George W. Bush Street. Der Taxifahrer hat keine Erklärung dafür, auch nicht für das riesige Plakat am Straßenrand, von dem der 43. Präsident der USA hinunterlächelt. Das Porträt sei eine Verneigung vor dem prominenten Besucher, der 2005 eine Stippvisite in der Stadt einlegte, ist später zu erfahren, ebenso die Umbenennung des Airport-Zubringers, die nicht alle Georgier mit Begeisterung quittierten. Michail Saakaschwili, von 2004 bis 2013 Präsident Georgiens, tat während seiner Amtszeit einiges, um das Land vom Grau der Sowjetzeit zu entstauben. Seither bewegt es sich mit Tempo auf den Westen zu.

Techno, Mode, Luxushotellerie

Fast 30 Jahre nach der Unabhängigkeit von der Sowjetunion hat sich Georgien erholt, die Wirtschaft wächst wieder, einer der wichtigsten Treiber ist der Tourismus. Aktuell kommen die meisten Reisenden aus Russland, Türkei, Aserbaidschan und Armenien. Aber allein die bis zuletzt gewachsene Zahl an Flugverbindungen aus Europa zeigt, dass das Land zwischen Kaukasus und Schwarzem Meer auch weltweit im Kommen ist. Gerade Tiflis ist für junge Menschen ein neuer Place-to-be. Die Stadt am Kura hat sich in nur wenigen Jahren zur Techno-Metropole gemausert, Partygänger wie DJs stürmen sie wie Berlin nach dem Mauerfall.
Auch in Sachen Mode mischt die Metropole ganz vorne mit: Der erste georgische Star­designer Demna Gvasalia ist Kreativchef bei Balenciaga und war Chefdesigner von Vetements. Die Fashion Week in Tiflis mit Titelsponsor Mercedes ist mittlerweile eine feste ­Größe im Kalender der internationalen Modeszene.

Abenteuer Tiflis-Bummel

Alles ist in Bewegung, alles mischt sich neu. Das merkt man in den Cafés der malerischen Altstadt, den Clubs, an den vielen neuen Läden und an den Häusern, die liebevoll restauriert oder verfallen-vergessen sind. Glaubt man den Geschichtsbüchern, ist das im vierten Jahrhundert gegründete Tiflis rund 40 Mal erobert worden, was den wilden Mix an Baustilen erklärt. Maurische Fassaden, ost-orthodoxe Kirchen, Jugendstilbauten oder modernistische Sowjet­architektur – die Vielfalt ist schier grenzenlos, jeder Stadtbummel ein Abenteuer.

Ein schöner Sightseeing-Einstieg ist die Altstadt mit ihren Gässchen, neoklassizistischen Gebäuden mit teils farbigen Fassaden, zierlichen Balkonen oder Erkern. Weiter geht’s ins ­Bäderviertel Abanotubani mit seinen Halbkugel-Kuppeln im persischen Stil. Tiflis (Tbilisi) heißt übersetzt „warme Quellen“ – und es waren die heißen Schwefelquellen, die der Stadt vor über 700 Jahren ihren Namen gaben. Wer Zeit hat: Unbedingt das Irakli-Bad besuchen, es ist das älteste der Stadt, liegt an der Festungsmauer und ist berühmt für seine traditionellen Massagen.

Steigt man hinauf zur Nariqala-Festung auf den Berg Mtazminda, wird man einmal mehr mit den Kontrasten dieser rätselhaften Stadt konfrontiert: An zentraler Stelle im Rike Park liegen zwei riesige Röhren aus Stahl und Glas. Sie gehören zu den architekto­nischen Hinterlassenschaften Saakaschwilis und sollten ursprünglich als Kunst- und Konzerthalle dienen. Da sie dem gegenwärtigen Präsidenten nicht gefallen, ist ihre Nutzung ungewiss. Ganz in der Nähe: die futuristische Friedensbrücke in Wellenform, Symbol des neuen Georgiens zwischen Vergangenheit und Zukunft.

Ausflug ins Weinhinterland

Dass sich das Land auf einer Zeitreise befindet, wird umso sichtbarer bei der Fahrt übers Land. Zwei Autostunden über alte Straßen, durch üppige Wälder und kleine Dörfer, und man befindet sich mitten in der historischen Weinregion Kachetien.
Hier wird es heiß im Sommer, gerne mal bis 40 Grad, ideal für den Wein, der in Georgien – man staune – seit über 7.000 Jahren angebaut wird. Ein zentraler Ort in der Geschichte des Weins ist das Tsinandali Estate, ehemals Sommerresidenz von Prinz Alexander Chavchavadze, der die alte Tradition der Weinherstellung hochhielt und den Rebensaft erstmals in Flaschen abfüllte. Heute beherbergt das historische Gut nicht nur ein Museum in einer 18 Hektar großen, französischen Parkanlage, sondern auch das 2018 eröffnete Radisson Collection Hotel, Tsinandali Estate Georgia. Auf das Haupthaus als begrünter Würfel des New Yorker Architekten John Fotiadis treffen hier die historischen, aufwendig restaurierten Gebäude aus dem 18. Jahrhundert. Im Außenbereich: eine Skulptur des verstorbenen Designers Ingo Maurer, dessen Handschrift in jedem Winkel der Anlage zu lesen ist.

Trotz seiner fünf Luxussterne geht es in dem Hotel ungemein entspannt zu. Lediglich 141 Zimmer und Suiten verteilen sich auf die verschiedenen Gebäude, teilweise mit herrlichem Blick auf die Weinberge, den Garten und den Kaukasus. Fast noch etwas besser ist hier das Panorama im Infinity Pool auf der Dachterrasse, wenn man bis zur Nase im Wasser auf die schneebedeckten Berge schaut. Dahinter befindet sich das gepflegte Spa mit beachtlichem Angebot – ein wahrlich entspannter und vor allem abgeschiedener Einstieg in die Bleisure-Tage fernab der Hauptstadt.

Die wertvollsten Schätze dieser Anlage aber verbergen sich im Untergeschoss. Im historischen Weinkeller liegen Flaschen, die teils noch im 19. Jahrhundert abgefüllt wurden – Tsinandali, Saperavi, Château Lafitte, Château d’Yquem, von dicken Staubschichten bedeckt, gelagert in wandhohen Regalen. Wer im Radisson absteigt, kann sich durch die Geschichte der Weinherstellung führen lassen, Tonkrüge und antike Gerätschaft bestaunen oder eine Masterclass im Weinberg buchen – mit Verkostung, Brotbacken und Herzhaftem vom Grill.

Letzteres bekommt man auch in den drei Restaurants. Hier verleiht das Lichtdesign von Ingo Maurer den Räumen etwas Magisches, gepaart mit dem stylischem Interieur der georgischen Künstlerin Tamara ­Kvesitadze. Gekocht wird georgisch, französisch oder mit internationaler Note. Wer es einmal ganz privat haben möchte: Im „Mystery Room“ stört bei hängenden Kerzen, Schummerlicht und Geheimtür keiner.

Und wer partout ins Business zurück muss, kann nach Tiflis den Transferservice des Hotels nutzen – oder den Geschäftspartner ins beschauliche Tsinandali kommen lassen. Business und Leisure – Georgien ist gerüstet.


Sabine Galas …

fühlte sich in Georgien wie auf einer Zeitreise – zurückversetzt in Jugendjahre, als der Tourismus noch überschauber und die Menschen gastfreundlich waren. Sogar die Tomaten schmeckten wie früher, sonnengereift und tiefrot, dazu Brot aus dem Lehmofen und ein Glas Wein – Glück kann so einfach sein.

Fotos: Sabine Galas

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