Home SliderSt. Moritz

Winter Work in St. Moritz

„Kaminfeuer, Jetset, English Teatime und die Suche nach dem authentischen Engadin. Ich war eigentlich nicht zum Skifahren in St. Moritz, sondern um einen TV-Dreh vorzubereiten. Trotzdem klappte es, die Ski anzuschnallen.“ Kai Böcking

Es ist März, in St. Moritz geht die Hochsaison langsam zu Ende. Dabei fing hier einst viel an: Um 1870 soll ein bekannter Hotelier seinen englischen Sommergästen so viele Sonnentage im Winter wie im Sommer versprochen haben. Wenn nicht, würde er die Rechnung übernehmen. Er musste nicht.

St. Moritz ist zwischen Weihnachten und Ostern der Sehnsuchtsort für Jet-Setter und Möchtegern-Gesehenwerder aus aller Welt. Pelze und Juwelen werden hier so selbstverständlich spazieren getragen wie frisierte Pudel von frisierten Herren. Auf den ersten Blick also eher kein Platz zum Arbeiten. Doch St. Moritz hat durchaus eine andere Seite,die Leisure mit Business verbinden kann.

Das Des Bains Kempinski St. Moritz bezeichnet sich zu Recht als Grandhotel. Der historische Prachtbau feiert 2024 sein 160-jähriges Bestehen und – das wissen wenige – thront auf einer Trinkwasserquelle. Pünktlich zum Jubiläum wurden die Lobby und Zimmer renoviert. Wer es besonders luxuriös will, der mietet eine der Residenzen im Seitenflügel. Mein Zimmer hat den barocken Charme des Engadins: dunkle Töne, Holz, Marmor und eine betörende Aussicht auf die Berge. Genügend Steckdosen, ein funktionierendes Wi-Fi und ein Schreibtisch beruhigen meine Nerven als Bleisure Traveller. Dazwischen lockt eine Runde Skifahren. ­

Wer seine Aus­rüstung zu Hause gelassen hat, kann im Hotel Skier ausleihen. Auf der anderen Straßenseite befindet sich bereits die ­Signalbahn zum Corviglia. Dort oben liegen einem auf über 3.000 m hohen Gipfeln feinste präparierte Pisten zu ­Füßen – und ich genieße einfach.
Nach zwei Skistunden geht’s zurück ins Hotel, Mails beantworten und danach in den Wellnessbereich. Pool, Fitness, Sauna – alles da. Auch eine Kältekammer mit Minus 110 Grad. Kryotherapie heißt die umgedrehte Sauna und dauert mit Mütze, Schuhen und Badehose bekleidet drei Minuten. Kalt ist’s, aber sie soll gegen Muskelkater und einige andere Wehwehchen helfen. Auf Kalt folgt dann warmer Tee in der renovierten Lobby-Bar. Hier klappt sich dann der Laptop wieder gerne auf.

Läden, Pizza, Shuttlecock

In etwa 15 Minuten ist man vom Hotel aus zu Fuß im oberen Zentrum von St. Moritz. Eine teure Boutique reiht sich hier an die andere, aber es gibt auch erstaunlich viele, kleine lokale Geschäfte mit Engadiner Spezialitäten.
Und: So nah an Italien, hat die Pizza einen besonderen Stellenwert. Auf dem Berg gibt es immer noch von Reto Mathis die Trüffelpizza, die eigentlich ein Flammkuchen ist. Genauso viel Trüffel, aber auf einem klassischen Pizzateig gönne ich mir in der Chesa Veglia des Badrutt‘s Palace Hotels. Der ehemalige Heuboden ist immer rappelvoll, urig und sehr teuer. Trotzdem muss ich mir hier die Pizza bei jedem St. Moritz-Besuch genehmigen.

Zurück zum Kempinski geht es am See entlang. Auf über 1.800 Meter fällt bald der Schlaf über mich wie die schweren Daunendecken des Grandhotels.
Das Frühstück ist dann wieder eine besondere Sache – das „Les Saisons“ einfach ein Grandhotel-Frühstückstempel. Hier stehen noch behaubte Köche hinter dem Tresen, dazu livrierte Kellner und ein Glas Champagner als Teil des Services. Am Buffet reihen sich die Engadiner Wurst- und Käsespezialitäten auf, selbstgemachte Marmeladen, frisches Obst, Brot in allen Farben und Texturen. Ein Traumstart in den Bleisure-Tag.

Zum Schluss noch ein besonderer Tipp. So Jetset St. Moritz mit mancher Bling-Bling-Veranstaltung sein mag, so „bodenständig“ ist der wohl berühmteste Männerverein der Welt – der englische Shuttlecock Club. 1933 gegründet, rasen die ausschließlich männlichen Mitglieder als Mutprobe regelmäßig die Olympische Natureisbahn auf dem Bauch liegend mit bis zu 130 km/h hinunter. Wer es überlebt, trinkt danach einen Bull Shot – kalte Fleischbrühe mit reichlich Wodka.


Kai Böcking …

… zieht ein klares Fazit: St.Moritz ist verrückt, teuer, aber auch irgendwie ein Dorf.
Man kann hier sogar seine Ruhe finden – und tatsächlich arbeiten.

 

BLEISURE TIPPS ST. MORITZ
Die Wiege des Skiurlaubs hat eine lange und – schiefe – Tradition: Der Turm der St-Mauritius-Kirche neigt sich mit 5,5 % mehr als der schiefe Turm von Pisa. In St. Moritz Dorf, direkt an der Crest Club Eisbahn.
Dass sich der Künstler Gerhard Richter vom Engadin inspirieren lässt, wissen nur wenige: Bis Ende April 2024 findet an verschiedenen Locations eine Werkschau statt.
Metzgerei Heuberger: Bündner Fleisch und herrliche Kalbsbratwürste.
Bäckerei-Konditorei Bad: Engadiner Nusstorte als Muss.
Trüffel-Pizza: Einst vom Berg-Koch Reto Mathis erfunden, findet man sie in einigen Skihütten. Nur echt, wenn es Flammkuchenteig ist!

Fotos: © istock.com/zodebala, Böcking