„Der Merlion weint, als ich ankomme. Das Wahrzeichen Singapurs steht im warmen Niederschlag, auch das legendäre Marina Bay Sands Hotel. Regen, das kommt in Singapur schon mal vor. Ich war in den letzten 15 Jahren über 20 mal hier, und Regen in Singapur bedeutet: Alles wird grün – und auf geht es zu neuen Entdeckungen.“
Kai Böcking
Ich liebe die Löwenstadt. Als Löwe im Sternzeichen sowieso, aber auch weil diese Stadt wohl, wie wenige auf meinen Reisen, die Möglichkeit von Bleisure ideal verkörpert. Schon bei der Ankunft am 24-Stunden-Mega-Flughafen Changi: freies WLAN in hervorragender Qualität und überall Touristen-SIM-Karten mit 5 GB für unter 15 Euro, die jederzeit das Arbeiten an jedem beliebigen Ort des Stadtstaates ermöglichen, sogar in der blitzsauberen U-Bahn. Singapur hat sich zu 100 % auf Besucher eingestellt, die beides wollen: Remote Work und Erholung.
Das letzte Mal war ich für eine TV-Produktion Anfang 2022 hier, damals noch mit engmaschigen Covid-19-Tests. Die Stadt schüttelte gerade den Schock der Pandemie ab. Viele Restaurants und Street Food Center waren noch geschlossen, und Singapur erwachte wieder zum Leben. Jetzt, über 16 Monate später, ist der Schock überwunden, und ich nehme mir vor, Neues auszuprobieren. Deshalb werde ich diesmal nicht in Downtown wohnen, sondern auf Sentosa Island. Für viele Einheimische, Expats und Besucher ist es DAS Wochenend-Getaway mit Stränden, Familienhotels, Beach Clubs, Freizeitparks und Zerstreuung jeder Art. Aber Sentosa ist auch eine Destination für Remote Work. Man muss nur wissen wo.
Zwei Hotels sind meine Wahl …
The Outpost und The Barracks Hotel. Sie gehören zusammen, teilen sich einen Tagungs- und Wellnessbereich sowie die Mess Hall at Sentosa – der ehemalige Militärposten für britische Soldaten und heute Location für Cafés, Restaurants und einen Supermarkt.
Hier, vor den Toren Singapurs, wurde Geschichte geschrieben. Die Gebäude waren zum großen Teil historische Unterkünfte und Versorgungsstation für die britische Artillerie ab 1904, als die Insel Sentosa noch als Pulau Blakang Mati bekannt war. Erst 2020, zum Beginn der Pandemie, wurde daraus The Barracks Hotel, ein 5-Sterne-Luxushotel.
Der ehemalige Exerzierplatz ist hier nun eine Palmenallee, welche die kolonialen, schneeweißen Prachtbauten in Szene setzt. In diesen ist auf zwei Etagen mit hohen Decken und breiten Fluren alles chic und elegant. Der offene Patio mit der Club Lounge für Frühstück und Afternoon Cocktails und Tee – für die Gäste der nur 40 Zimmer und Suiten all inclusive. Das Einchecken in der kleinen Rezeption dauert nur eine Minute, man hat mich erwartet. Mein Vintage-Zimmer im ersten Stock hat eine freistehende Badewanne, dunkle Hölzer, eine lederverkleidete Minibar und eine kleine Terrasse auf den Innenhof. Dieses Hotel ist definitiv sexy! Vom touristischen Rummel, den viele Besucher mit Sentosa verbinden, bin ich hier meilenweit entfernt. Schade, dass ich nebenbei noch arbeiten muss. Geht aber prima dank 1A-WIFI und persönlichem Butler Service, der Ausdrucke auf Wunsch in ein paar Minuten organisiert.
Gleich zwei 30-Meter-Pools stehen den wenigen Gästen ab 7 Uhr morgens zur Verfügung. Das ist mein persönliches Schwimmparadies. Flexibel kann ich mein Frühstück zu einer bestimmten Zeit am Morgen bestellen, die Auswahl reicht à la carte von der asiatischen Nudelsuppe bis zu Eggs Benedict. Und klar, dass hier ein Shuttle in die Stadt ein inklusiver Service ist.
Gin aus Singapur?
Es gibt so viel Neues in diesem quirligen Singapur, so dass die wenigen Tage meiner Geschäftsreise bei weitem nicht ausreichen. Ich hatte bei meinem letzten Besuch in einer Bar einen lokalen Gin entdeckt – Brass Lion: mit Tonic gemischt eine veilchenblau schimmernde Cocktail-Kreation im großen Weinglas. Gin aus Singapur – wer macht denn so etwas? Satish Vaswani, ein ehemaliger Airline-Manager. In seiner, zur ersten Destillerie in Singapur umgebauten Lagerhalle zeigt er mir stolz sein Labor. Gin in kleinen Mengen, mit lokalen Zutaten und deutschem Know-how. Staunend stehe ich vor seiner deutschen Brenneinheit, die kupfrig glänzend den hiesigen Gin durch diverse Brennkammern und Filter destilliert. Und wo hat Satish sein Wissen her? Aus dem Schwarzwald! Sechs Monate hat der Autodidakt dort das Gin-Brenner-Handwerk gelernt und liefert nun diverse Sorten in kleinen Mengen in den asiatischen Raum. Das Geheimnis des veilchenblauen Gins habe ich mir gut verpackt in einer Flasche mitgenommen: Brass Lion – Butterfly Pea Gin.
Analoges Erlebnis
Die Singapurianer sind Foodies, was ihr Leben schwer machen kann, weil sie aus einer unglaublichen Vielfalt von Restaurants, Street Food und Bars wählen können. Eine Expertin hat mir das Analogue empfohlen, ein Restaurant mit Bar oder umgekehrt, gelegen im Chijmes, einem malerischen Foodkomplex mit Kirche – eine Institution in Singapur. Ich bin hier regelmäßig seit meiner ersten Reise, genauso wie in den umliegenden Hawker Stalls, in denen das frischeste Street Food der Stadt direkt zubereitet wird. Chijmes bietet alles: westliche Restaurants, Steak-Häuser und, und, und.
Und jetzt eben auch das Analogue: ein plant based Restaurant, also ein vegetarisches Lokal, mit einem Bartresen wie eine blaue Welle, gefertigt aus Plastikmüll. Einer der Besitzer ist Vijay Mudaliar. Der drahtige, indischstämmige Barchef hat das Konzept mitentwickelt: außergewöhnliche Drinks mit außergewöhnlichen Gerichten. Ich stehe vegetarischem Essen immer ein bisschen kritisch gegenüber. Nicht weil es nicht schmeckt, sondern weil es meist so dogmatisch auf die Speisekarten dieser Welt genagelt wird, dass ich mich einfach verweigere.
Auf der Karte gibt es heute nur sieben Gerichte. Vijay bestellt mir seine Version von Chicken Nuggets, kreiert von seinem jungen Küchenchef. Dazu selbstgemachte Curry-Sauce. Das haut mich um, schmeckt einfach fantastisch. Auch die Trompetenpilze mit einer Artischocken-Soja-Milch-Sauce und die Süßkartoffel-Pommes.
Bekannt geworden ist das Analogue aber wegen seiner Cocktails. – „Expensive Shit“? Hört sich nach meinem Drink an: Gin, Pfirsich, eine Waffel aus Seegras, Champagner und obendrauf veganer Kaviar. Da muss man erst einmal draufkommen. So wird man erfolgreich im Foodie Town Singapore.
Remote Work im Beach Club
Am nächsten Morgen muss ich zwei Dinge tun: in ein neues Hotel umziehen und versuchen, im neuesten Beach Club zu arbeiten. Ich checke ein im The Outpost Hotel, nur einen Steinwurf vom Barracks entfernt, und bin in einem anderen Konzept: keine Kinder, moderne Zimmer, Meerblick, Spa und eine amtliche Rooftop Bar mit Mega-Pool und Restaurant. Der Blick von oben reicht über den Palawan Beach bis zur Straße von Singapur, wo wie an einer Perlenschnur die Frachter auf die Hafeneinfahrt warten. Das Hotel ist schnörkellos modern, die Zimmer hell mit vielen Lademöglichkeiten, dazu Sitzecke, Schreibtisch und Kaffeemaschine. Beim Einchecken hat jeder Gast drei Minibar-Getränke frei – da kann man auch mal im Zimmer arbeiten.
Der neueste Beach Club, nahe des Hotels, ist das +Twelve am Palawan Beach. Der Strand ist beliebt, besonders am Wochenende. Und ehrlich: Es gibt hier eine Reihe Beach Clubs für Familien, also laut. Da steigen meine Air Pods aus – und meine Konzentration. Ich muss/will hier mit meinem Laptop arbeiten und trotzdem die Annehmlichkeiten eines Beach Clubs genießen. +Twelve hat erst vor einigen Monaten geöffnet. Es sieht aus wie irgendwo am Mittelmeer: Terrassenförmig angeordnete Cabanas und breite Daybeds direkt am Strand, mit Bar und Restaurant. Und ja, auch einem DJ, dessen Lounge-Musik aber meine Kopfhörer unterdrücken können. Keine laute Party, keine ausgeflippten Hipster-Gruppen. Mein Daybed ist gute 2 Meter breit, ein Tisch in der Mitte, Handtücher und dienstbare Sevice-Geister um alle Gäste herum. Ich klappe meinen Laptop auf und genieße mein Remote Working. Alles gut. Und der Regen zwischendurch auf dieser Reise – kein Thema für mich.
Mein Fazit: Singapur erfindet sich immer wieder neu. Hier leben Menschen aus allen Nationen friedlich zusammen und sind wahnsinnig gastfreundlich. Zugleich ist die Löwenstadt seit langem der Business Hub in der Region und bietet inzwischen auch für Remote Work alle Chancen und Optionen. Und Sentosa? Die Insel hat zu Unrecht den Ruf, „nur“ eine Touristendestination zu sein. Leisure und Business sind hier beidermaßen zu Hause.
Kai Böcking …
… liebt Singapur als traditioneller-moderner Melting Pot und als Drehscheibe in die Bleisure- und Workation-Welt. Städte wie Singapur hatten ihn 2018 auf die Idee zu diesem Magazin gebracht.
Bleisure Tipps Singapur
Singapur ist ein Völker- und Kulinarik-Schmelztiegel. Das Angebot reicht vom besten Streetfood der Welt bis zur internationalen Sterne-Küche. Überall kommt man mit der blitzsauberen U-Bahn hin oder mit einem preiswerten Taxi.
Im Chinatown Wet Market gibt es im Untergeschoss einen Markt, der alle westlichen Vorstellungen sprengt. Fisch, Fleisch, Gewürze – was nicht mehr lebt, ist an Frische nicht zu überbieten. Zwei Stockwerke höher mein Lieblings-Hawker Stall, also Street Food Tempel. Tipp: Reservieren Sie einen Tisch mit einer Packung Taschentücher. Dann gehört er Ihnen.
Malcolm Lee zelebriert in seinem Restaurant Candlenut, die traditionelle Peranakan-Küche Singapurs, ein Michelin-Stern.
Das beste Restaurant Asiens betreibt der Franzose Julien Royer. Seine Kreationen im Odette sind Weltklasse.
Bar Tipp: Am wohl berühmtesten Pool der Welt, auf dem Dach des Marina Bay Sands Hotels, lädt der Österreicher Wolfgang Puck zu seiner Bar. Abends hingehen und den Blick über Singapur genießen.
Info Sentosa Island
Sentosa ist eine ca. 5 Quadratkilometer große Insel vor Singapur. Der ehemalige britische Militärstützpunkt ist via Brücke mit dem Festland verbunden. Casino-Hotels, Freizeitparks und Wassersport – Sentosa gehört zu den beliebtesten MICE- und Ausflugsdestinationen Singapurs. Es gibt zudem immer mehr Adult-only-Ruheoasen, Premium-Resorts und Restaurants.
Im Sentosa Golf Club gibt es eine Reihe von Spitzenrestaurants: vom Chef’s Table bis zum Edel-Grill Panamericana. Großartiger Blick.
Der neueste Beach Club ist das +Twelve. Entspannter Platz mit tollem Sushi, cooler Musik und Blick auf die Straße von Singapur.
Der Klassiker ist das Capella Singapore, mehrfach als bestes Hotel Singapurs ausgezeichnet. Kaskadenförmige Poolanlage und Ultra-Luxus in der quirligen Nachbarschaft Sentosas.
www.visitsingapore.com, www.sentosa.com
Fotos: © Singapore Tourism Board/Yik Keat, Singapore Tourism Board, Hype Digital, Danny Santos, Kai Böcking, Sentosa Development Corporation, Asia Consolidated DMC PTE. LTD, Mount Faber Leisure