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BUSINESS LEISURE

Covid-Bleisure in Warschau

„Bis 2019 hätte ich auf einen Geschäftstermin in Warschau im kalten, nassen Januar eher wenig Lust gehabt. Jetzt ist alles anders. Ich kann es kaum erwarten, meine Kollegen live statt virtuell kennen zu lernen und zu reisen – in ein Restaurant und zum Friseur, weil in Rotterdam alles im Lockdown ist.“ Susann Knobloch, EMEA Sales Enabler eines Dienstleisters für Informationsmanagement

Ich lebe und arbeite in Rotterdam und bin bei einem internationalen Unternehmen für das Training und Onboarding der europäischen Vertriebsteams verantwortlich. Zum neuen Jahr begannen neue Kollegen ihre Arbeit in unserem Unternehmen, und ich fliege nach Warschau, um dort eine Gruppe willkommen zu heißen und den Onboarding-Kick off live zu veranstalten. Schon beim letzten kurzen Termin hat mir Warschau gut gefallen. Nun reise ich schon am Sonntagmorgen statt Montag an und bleibe nach dem Meeting noch ein, zwei Bleisure-Tage – so wie ich es früher auf Geschäftsreisen so oft gemacht habe. Back to ein bißchen normales Reiseleben.

Dziekuje an die Kollegen

Seit ich im letzten April bei der Firma angefangen habe, hatte ich kaum meine Kollegen „in echt“ gesehen. Fast alles mache ich vom Home Office aus. Dabei bin ich eine absolute „People Person“ und liebe es, mit verschiedenen Kulturen zusammen zu arbeiten – live.
Diese Geschäftsreise nach Warschau ist entsprechend ein Highlight für mich. Hätte mir jemand vor zwei Jahren gesagt, dass ich einmal vor Freude in die Luft springe, wenn ich im Winter nach Polen fahren kann, hätte ich ihn wahrscheinlich für verrückt erklärt. Jetzt aber ist das anders.

Hinzu kommt, dass sich die Niederlande bis vor kurzem im totalen Lockdown befanden. Außer Lebensmittelläden, Apotheken und Drogerien war alles geschlossen. Es gab keine zugänglichen Restaurants, kein Shopping, keine Museen und für mich vor allem im Moment ein Problem: kein Friseur. Die frühere Anreise erweist sich deshalb auch als Rettung – ein kurzer Video Call mit der Office Managerin Monika in Warschau, ein verständnisvolles Nicken und zwei Stunden später hat sie mir einen Friseurtermin für Sonntag Nachmittag in Warschau organisiert. Monika ist die Beste. „Dziękuję“ heißt „Danke “, das weiß ich inzwischen.

Ein bißchen wie Ost-Berlin und Rotterdam

Ich war schon im letzten November in Warschau. Damals hatte ich aber nur das typische Flughafen-Taxi-Hotel-Büro-Taxi-Flughafen-Erlebnis. Nun also Warschau mit etwas mehr Ruhe und wieder gepflegten Haaren.

Vom Flughafen aus dauert es nur etwa 20 Taxi-Minuten zum InterContinental Hotel, in dem ich wieder einchecken werde. Der freundliche Taxifahrer gibt mir in gutem Englisch eine Mini-Führung durch die City, die ich mir so modern nicht vorgestellt hatte. Hinter den vielen gläsernen Hochhausfassaden finden sich schicke Hotels oder internationale Konzerne. Die sowjetisch beeinflusste Architektur erinnert mich ein bisschen an Ost-Berlin, die modernen Hochhäuser der Innenstadt an Rotterdam. Ich fühle mich also ein bisschen wie zu Hause.

Direkt vor dem InterContinental Warschau, in dem ich wohne, steht der riesige Kultur- und Wissenschaftspalast, ein „Geschenk“ Stalins der 1950er Jahre. Heute findet man hier neben Büros und Veranstaltungsräumen mehrere Bildungseinrichtungen, ein Multiplex-Kino, verschiedene Restaurants, Cafés und Bars, ein Postamt, ein Einkaufszentrum und mehr. Charmant ist das riesige Gebäude nicht, aber beeindruckend. Und noch etwas überrascht mich: Polen hat natürlich eine sehr strategische Lage zwischen Ost und West. Aber selten habe ich in einem Hotel so viele Geschäftsleute aus so verschiedenen Teilen der Welt gesehen, gerade jetzt.

An der Bar mit einer Gamerin

Das Hotel ist super zentral gelegen, und ich entdecke zu Fuß die City. Später gönne ich mir auch den Pool im 48. Stock des Hotels, von dem aus ich schwimmend die ganze Stadt sehen kann. Und danach gehe ich an die Bar, an der viele allein reisende Geschäftsfrauen sitzen, während an den Tischen fast nur Männer in Gruppen weilen. Ich glaube, an der Bar ist es als Frau nicht ganz so komisch, allein zu sitzen, und essen kann man hier auch. Zudem kam ich beim letzten Mal in ein nettes Gespräch mit einer anderen Alleinreisenden aus den USA.

Sophie kam aus Boston und ist Senior Animator bei einem Video Gaming Studio. Völlig ungeschminkt, mit Jeans und Hoodie, Piercings und Tattoos (plötzlich fühle ich mich konservativ) saß die Gamerin an der Bar eines der edelsten Hotels Warschaus und löffelte ihre Suppe. Sophie war seit etwa einer Woche in Polen, denn ihre Firma und ein polnisches Video Games Studio fusionieren. „Oh“, sagte ich ganz überrascht. „Ich hätte gar nicht gedacht, dass Polen so viel mit Videospielen zu tun hat. Also kauft Euer Studio jetzt tatsächlich ein polnisches?“ „Nein“, sagte Sophie lächelnd. „Die Polen kaufen uns.“ Schau mal einer an“ – das werde ich jetzt als Nächstes auf Polnisch lernen, dachte ich mir.

Diesmal treffe ich an der Bar niemanden, aber das macht nichts. Das Hotelgewusel ist bereits schönes Kino für mich und in den nächsten Tagen spreche ich viel „in echt“ mit meinen Kollegen. Warschau im Winter – ein super Start ins Reise-Arbeitsjahr.


Susann Knobloch …

Susann Knoblochwollte in den nächsten Wochen geschäftlich weiter nach Budapest und Bukarest fliegen, aber das Unternehmen hat derzeit wieder alle nicht notwendigen Reisen gestrichen. Dafür haben die Niederlande gerade mal wieder den Lockdown gelockert und Friseure & Co. geöffnet.

Fotos: © Knobloch

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