„Obwohl ich seit fast 20 Jahren viel in den UAE und anderen
Golfstaaten unterwegs bin, stand Katar nicht auf meiner Liste.
Wie viele, hielt ich das Land für ein Klein-Dubai.
Als mich mein Job nach Doha führte, habe ich mich gefragt:
,Warum war ich nicht schon früher hier?'“ Kai Böcking
Der Zufall wollte es, dass ein guter Freund vor zwei Jahren nach Doha gegangen ist, um eines der spektakulärsten Hotels der Welt als Küchendirektor zu eröffnen. Also besuchte ich ihn damals dort und war nun noch einmal im Raffles Doha.
Mein erster Doha-Besuch war ein paar Monate vor der Fußball-Weltmeisterschaft. Das Land – so groß wie Hessen und mit 85 Prozent der Einwohner Ausländer – hat für das Großereignis seine Modernisierung vorangetrieben. Der Masterplan war (und ist) ein modernes, weltoffenes Land zu sein, mit Business und Leisure als Pfeiler.
Binnenmeer, Mangroven-Insel & mehr
„Aufgeräumt“, ist mein erster Gedanke, als ich über die breite Corniche vom gigantischen Flughafen Hamad International Airport in die Stadt rolle. Am Flughafen kaufe ich mir eine Touristen-SIM-Karte, bestelle einen Uber und poste fleißig erste Eindrücke. Denn die gigantische Enge anderer Golfstaaten mit tausenden Mega-Bauten gibt es in Doha nicht. Die Wolkenkratzer schaffen hier eine echte Skyline – kein Übermorgenland-Design. Stattdessen lohnt es in Doha, sich auf die arabische Kultur und Gastfreundschaft einzulassen. Auf sie sind die Katarer stolz und klug genug, andere Kulturen zum Kennenlernen in ihr Land einzuladen. Für mich, der geschäftlich unterwegs ist und gleichzeitig ein Leisure-Freak, ist dieses Land eine große Überraschung – ob mit seinen vielen tollen Hotels, Museen oder der Vielfalt an Freizeitmöglichkeiten. Klar gibt es auch hier jede Menge klimatisierte Einkaufszentren und eine brandneue U-Bahn, aber auch exquisite Restaurants, Beach Clubs und traditionelle Märkte.
Die große Überraschung sind aber die Möglichkeiten außerhalb der Hauptstadt: 80 km von Doha entfernt, kann man in Khor Al Adaid jede Menge Spaß im Sand haben – Quad, Auto, Kamel. Einmalig ist hier, findet auch die UNESCO, das Binnenmeer, das auf die Dünen trifft. Ein traumhafter Spot für einen Sonnenuntergang. Zudem bietet Katar eine Mangroven-Insel: Purple Island oder Bin Ghanim Island genannt, ist eine Stunde von Doha entfernt und ein Muss-Leisure-Trip.
Und Remote Work? Unbedingt. Das WIFI ist überall im Land herausragend. Wer länger bleiben will: Ausländer können neuerdings auch Wohnungen in Doha kaufen.
New Work in der Luft
A propos Remote Work: Auch beim Flug nach Doha habe ich ein Stück weit Neuland betreten. Denn blicken wir zurück: Wie verliefen in den 1990er Jahren geschäftliche Langstreckenflüge? Ich erinnere mich an unbequeme Business-Class-Sitze, die sich nicht in Schlafposition bringen ließen, und an zwei Filme pro Flug auf einer Leinwand im vorderen Flugzeugteil. Wenn man arbeiten wollte, ging das nur handschriftlich oder bis die Batterie des ersten Laptops leer war. Strom an Bord hatte nur die Crew, aber es gab fest installierte Telefone an einigen Sitzen. Und heute? Remote Work ist das Buzzword der Bleisure-Gesellschaft und muss auch im Flieger funktionieren. Die mobile Freiheit über den Wolken – nennt sie die Mega-Airline Qatar Airways und bietet sie Gästen aller Klassen an. Ich starte mein neues Arbeitserlebnis in der Airline Lounge.
Nach der Pandemie haben die Wettbewerber auf dem Markt entweder abgerüstet oder – wie die Premium-Airline aus Doha – wieder einen Zahn zugelegt. Allein der Haman International Airport ist eine Reise wert: Für die Fußball-WM wurde das „Spielfeld für Reisende“ noch einmal vergrößert – mit The Orchard, einem 5.500 qm großen Garten innerhalb des erweiterten Zentralterminals, der kostenlos samt WLAN genutzt werden kann.
Ich klappe, nach einem rasend schnellen Check-in und ca. zehn Minuten per Bahn und Fuß, in der neusten Qatar Airways Lounge meinen Laptop auf: Die Al Mourjan Business Garden Lounge steht seit März mit 7.390 qm Fläche für 700 Passagiere und Blick auf The Orchard offen. Die Airline selbst nennt die neue Lounge selbstbewusst „Ultimate decadence“. Ich könnte mich in einen der 24 Private Rooms zurückziehen, aber die Lounge ist relativ leer, und ich wandere vorbei am Sushi Counter, an Selbstbedingungs-Buffets zum À-la-carte-Restaurant mit offener Küche rund um die Uhr.
So etwas kenne ich sonst nur aus den Top First Class Lounges in der Vielflieger-Welt. Und wenn in Zukunft auch das Spa und Gym in Betrieb sind, setzt die Lounge ganz neue Maßstäbe.
Im Flugzeug lerne ich die Qsuite der Qatar Business Class kennen, die Skytrax als momentan beste Business Class weltweit führt. Sie ist eine Art Miniatur-Ausgabe der Lounge mit der Besonderheit: Die Suiten sind für Einzelreisende, Paare oder bis zu vier Kollegen z.B. buchbar, die sich hier gegenübersitzen. Ich habe einen Einzelplatz am Fenster. Eine scharlachrote Tür trennt mich von meinen Mitreisenden, es gibt reichlich Ablageflächen, Lade- und Anschlussoptionen. Auf Reiseflughöhe gehe ich problemlos online und bleibe es fast ausschließlich während der sechs Stunden Flug. Die „No-Connection-Luftlöcher“ waren nur sehr kurz. Ansonsten hat mich die Geschwindigkeit überrascht. Ich habe einen Film für eine Abnahme heruntergeladen, Mails bearbeitet, zwischendurch aus dem kleinen, feinen Service-Angebot ein leckeres Angus Steak gegessen. Ja, man kann mittlerweile gut über den Wolken arbeiten und sich mit Kollegen austauschen. Einziger Nachteil: Die Qsuite gibt es (noch) nicht auf allen Flugzeugen der Airline.
Zwei Hotels, ein Wahrzeichen
Es gibt in Doha eine Vielzahl aufregender 4- und 5- Sterne Hotels für Business und Leisure. Doch seit der Fußball-WM 2022 ist das Raffles und Fairmont Doha mit arabischer Halbmond-Form zum Wahrzeichen avanciert. Aber Halbmond stimmt nicht ganz. Das Design des neuen Accor-Flagship-Hotels im arabischen Raum stellt in Wahrheit zwei arabische Säbel dar, in Anlehnung an das katarische Wappen. Aber an solchen Feinheiten hat man sich nicht aufgehalten, als vor über zehn Jahren dieses gewaltige Doppelhotel geplant wurde: auf der einen Seite ein Raffles All Suite Hotel und auf der anderen Seite ein Fairmont, mit zusammen 500 Suiten und Zimmer, 18 Restaurants, Bars sowie Cafés und ausgestattet ohne Scheu vor Superlativen. Hier hängt nicht nur der höchste Kronleuchter der Welt, hier funkelt auch das größte digitale Kaleidoskop des Planeten. Die Aufgabe von Hoteldirektor Christian Hirt und seinem Gourmet-Mastermind Dirk Haltenhof war: „Eröffnet hier bis zum Beginn der WM das beste Hotel am Persischen Golf“, und sie lieferten ab.
Die Ausstattung und das Design beider fast 211 m hohen Hotels sind dabei sehr unterschiedlich. Die Fairmont-Zimmer hell mit edlen Glatthölzern und Marmor, die Raffles Suiten schwerer, dunkler, luxuriöser – Grand-Hotel-Feeling in seiner modernsten Form. Kulinarisch können die Gäste alles auswählen. Ob italienisch im ersten Ableger des legendären Alba von Enrico Crippa, indisch im Fine-Dining-Bereich der Masala Library oder im lateinamerikanischen Markt, dem Vaja. Ich finde auch das Provok im Fairmont mit seinen Drinks als Reise entlang der Seidenstraße und mit der hauseigenen Mixology-Abteilung spannend. Später am Abend legt der DJ Musik auf und man trifft sich auf der Dachterrasse zum Sterne gucken.
Kai Böcking …
… war bei seinem letzten Besuch im Juli überrascht, dass Katar ein anderes Erlebnis als andere Golfstaaten bietet. „Es ist kleiner, schöner, netter“; sagte er, und konnte leider einen Punkt auf seiner Bucket List noch nicht abarbeiten: Walhaie sehen! Sie schauen im Sommer regelmäßig vor der Küste vorbei.
Bleisure Tipps Qatar
Wer nach Quad-Spaß in den Dünen und Kajak-Paddeln im Khor Al Adaid Naturschutzgebiet Lust auf Entspannung hat, übernachtet im neuesten Glamping Hotspot The Outpost Al Barari.
National Museum of Qatar: Das vom französischen Architekten Jean Nouvel gestaltete Museum ist der Form einer versteinerten Wüstenblume nachempfunden. Innen findet sich alles Wissenswerte über Katar.
Dohas Smart City ist Msheireb Downtown: eine Mischung aus ultra-modernen Häusern, Hotels, Cafés und Restaurants in der Tradition arabischer Baustile. Zertifiziert für seine nachhaltige Bauweise.
www.visitqatar.com, www.qatartourism.comgoisrael.com
Fotos: © Qatar Tourism, Qatar Airways, Böcking