„Reisen ist mein Beruf als Moderator, TV-Produzent und Herausgeber des Bleisure Traveller. Die Pandemie hat hier vieles unmöglich gemacht, trotzdem war ich auftragsbedingt in den letzten Monaten viel unterwegs. Ob nach Mexiko City, New Orleans, Südafrika oder Phuket – ich habe die Reisewelt in dieser Zeit ein Stück weit neu kennengelernt.“ Kai Böcking
Mein erster Flug nach dem virusgeschwängerten Frühjahr 2020 ging zu einer Bleisure-Reise nach Rom. Mir ging es gut, der Lufthansa nicht. Lounges zu, Service eingestellt (natürlich nur in der Economy) und erstaunlich nervöse und fahrige Flugbegleiter, die sich wohl beim besten Willen ihren Arbeitsplatz nicht so vorgestellt hatten.
Service-beseelt durch Rom
Rom war letzten Frühjahr leer, das St. Regis Hotel auch, aber zumindest offen. Und Dolce Vita war auf einen Schlag wieder überall ein Thema. Nach meinem ersten PCR-Test als Passbeilage – eine Prozedur, die ich inzwischen auch geimpft mit stoischer Ruhe seit geschätzt hundert Mal ertrage – war die Traumdestination am Tiber wieder erreichbar. Und gleich bei einem meiner ersten Hotelbesuche habe ich eine entscheidende Wendung in der Reiseindustrie festgestellt: Service zählt wieder. Das St. Regis, das nie geschlossen war, bietet den Gästen z. B. seitdem den charmanten Service „Live like an Italian“ an: Ein Guide führt zu Fuß durch die Altstadt und entführt u. a. in ausgesuchte Lokale. Niemals zuvor bin ich so beseelt durch das leere Rom getaumelt.
… und danach in der ganzen Welt
Seitdem sind fast 15 Monate vergangen, Welle Nummer Zwei habe ich genauso „weggereist“ wie die erste. Und das liegt daran, dass man mir die Bude einrannte, als das Reisen wieder möglich wurde. Der Bedarf der Reiseindustrie nach Wahrnehmung stieg konträr zu den Einschränkungen und Warnungen der Regierungen in der ganzen Welt. Die Welt ist in diesen Monaten kleiner geworden, aber sobald sich eine Lücke aufgetan hat, bin ich mit Fernsehteams, Zwei-Sterne-Koch Tim Raue und Autoren für eine TV-Produktion durchgeschlüpft (Foto links).
Mexiko City, New Orleans (Foto unten), Madrid, Istanbul, die Malediven, mehrmals Dubai, Sizilien und jetzt sitzend in der „Bubble“ auf Phuket.
Andere Länder haben auch gute Pandemie-Sicherheitssysteme
Eigentlich habe ich täglich mit einem Shitstorm gerechnet, wenn ich Bilder aus den schönsten Ecken der Welt postete, während zuhause Test-, Impfstoffmangel- und Reisewarn-Diskussionen herrschten.
Ich habe den Ton und das zuweilen zögerliche Handeln bei zugleich schleppenden Impfangeboten oft nicht verstanden, und viele Menschen in den Ländern, die ich bereisen durfte, haben es auch nicht. Wir Deutschen, die so ziemlich auf jedes Land mit dem Finger gezeigt haben und das Wort „Reisewarnung“ als eine Art heiliger Gral zelebrierten, ernteten in all den Ländern, die ich bereist habe, Verwunderung bis Kopfschütteln über unser Krisenmanagement.
Dabei gab und gibt es auch in den Destinationen, in denen ich war (außer in Mexiko City), ein engmaschiges, strenges Ein- und Ausreiseprotokoll, vor allem mittels geforderter PCR-Tests (auf den Malediven mehrere), Impfnachweis und drakonischer Strafen bei Nichtbeachten der Hygieneregeln wie in Dubai.
Sicher, strenge Strafen sind schwierig und intensives Tracking wie in Asien auch, aber in Deutschland wurde ich bis Anfang 2021 bei der Einreise auf dem Flughafen noch nicht einmal nach einem Test oder Einreiseformular gefragt.
In Phuket Essen durch eine Klappe
Gerade war ich auch auf Phuket, das seit wenigen Wochen ohne Quarantäne wieder bereisbar ist. Allerdings bleibt das Unterwegssein hier weiter kompliziert. Mit unzähligen Formularen und einem Test-Marathon kommt man hier überhaupt erst ins Paradies. Ein sehr leeres Paradies, mit sehr freundlichen, aber vorsichtigen Hotel-, Restaurant- und Geschäftsbesitzern. Maske am Strand – nicht gerade sexy, aber hier die Regel.
Auch die Rückreise mit Singapore Airlines über meinen Lieblingsflughafen Changi war in jeder Hinsicht einzigartig. Transfer bedeutet hier eine absolute Kontrolle über Lauf- und Sitzgelegenheiten. Das grüne Band am Arm beim Aussteigen aus dem Flugzeug aus Phuket ist das Transfer-Stigmata. Bye bye, Singapore Airlines Premium Lounge, welcome Warteraum mit QR-Code-Bestellservice! Das Essen wird dem Flug-Deliquenten hier tatsächlich durch eine Klappe gereicht.
Learnings beim Fliegen und Remote Work
Was habe ich den letzten 18 Monaten meines Reiselebens gelernt?
Erstens: Fast alle Airlines sind komplett verunsichert. Der Servicegedanke fast überall im Eimer (ja auch bei Dir, liebe Lufthansa).
Ausnahme: Die Lufthansa-Tochter Swiss bietet trotz aller Einschränkungen einen so gigantischen, freundlichen und persönlichen Service an, dass mir wieder eingefallen ist, was Fliegen in der Business Class bedeutet: Service, Freundlichkeit, Luxus. Geht auch mit Maske!
Schön zudem auch, dass Singapore Airlines wieder auf dem Weg zur Normalität ist. Keine Ganzkörper-Schutzanzüge wie bei Thai Airways, sondern einfach: Maske auf und einen lebensbejahenden Service bieten.
Zweitens: Remote Working kommt mehr denn je. Ich arbeite schon immer remote, aber jetzt wird es zum Mega-Trend. Nicht Home Working, sondern Away from Home Working. Hyatt und andere Hotelgruppen (sogar der Robinson Club) bieten Longstays bereits aktuell zu Niedrigpreisen an. Dubai lockt sogar mit einem Ein-Jahres-Visum für Corona-Müde. Das wird für viele DIE neue Arbeitswelt sein, wenn sie denn wollen und keine Angst mehr vor dem Reisen haben.
Ich fliege heute zurück nach Deutschland, dann geht’s nach Polen, Südfrankreich und Italien. Ist halt mein Job!
Kai Böcking …
ist in den letzten Wochen mehr unterwegs gewesen als 2019. Redaktionssitzungen fanden nur noch remote an Flughäfen, in Hotels und auf Terrassen statt. Doch der Blick auf die Welt ist für ihn noch größer und differenzierter geworden, mit allem Respekt davor, wie auch andere Regionen verantwortungsbewusst mit der Pandemie umgegangen sind und bis heute umgehen.
Fotos: © Böcking