AMSTERDAM

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BUSINESS LEISURE

Amsterdam – Kulinarik zwischen Kanälen

„In Amsterdam ist die Welt zuhause. Das macht die Gastro-Szene bunt, frisch und kreativ.“ Michael Möser, Redakteur beim Business Traveller und Gastautor des Bleisure Traveller

In der Grachtenstadt treffen sich die kulinarischen Kontinente. Asiatisch, afrikanisch, argentinisch – die Liste der Möglichkeiten ist lang. Doch lange sollte man nicht suchen. Im engen Kanalgewirr mit teils dichten Touristenschwärmen würde man dabei sprichwörtlich untergehen. Steuern Sie gezielt Empfehlungen an oder verlassen Sie sich auf Ihre Intuition. Der ­vegetarische Vietnamese kann dabei ein Glücksgriff sein, der Mexikaner ums Eck vielleicht nicht ­unbedingt. Im jungen Amsterdam ist viel in ­Bewegung. Wo gestern noch ein Inder seinen Tandoori-Ofen befüllte, kann morgen schon ein Bistro sein. Gehen Sie der Nase nach – die wird Sie früher oder später auch in eines der zahlreichen indonesischen Restaurants führen, deren Duft über vielen Straßen hängt. Be­stellen Sie eine „rijsttafel“ (ausgesprochen: Reisttafel) mit gefühlt hundert verschiedenen Gerichten. Da ist für jeden etwas dabei – und das ist im Grunde genommen auch das kuli­narische Motto für Amsterdam.

Aber starten wir mit: Goedemorgen in Amsterdam! Wenn nicht im Hotel, so kann man im Zentrum quasi an jeder Ecke den Tag beginnen. Eine renommierte Adresse ist das „Café Americain“ im Amsterdam American Hotel, gleich hinter dem Leidseplein (Leidse­kade 97). Es ist old style und erinnert ein wenig an Wiener Kaffeehäuser.

Das „Singel 404“ wiederum – Name ist Adresse – befindet sich in der Nähe des Spui, dem beliebten Platz in der Innenstadt, und bietet einen schönen Blick auf die Gracht. Studenten und Einheimische, die dort ein- und ausgehen, freuen sich auch über die große Auswahl an köstlichen Sandwiches (ab 10.30 Uhr geöffnet). Und sie schwören natürlich auf ihren Nationalkaffee: den „verkehrten Kaffee“ (Koffie verkeerd) – das niederländische Gegenstück zum Milchkaffee. Was viele vielleicht gar nicht mehr auf dem Schirm haben: Im Goldenen Zeitalter war Amsterdam der wichtigste ­Handelshafen für Tee und Kaffee in Europa. Vielleicht rührt die Liebe der Niederländer zum Kaffee daher. Besucher in Amsterdam lernen allerdings schnell den Unterschied zwischen Coffee-Shops (Bars, wo weiche Drogen wie Marihuana verkauft werden) und Cafés: Braune Kneipen und Schänken, die Getränke und einfache Gerichte servieren (siehe unten). Und wer auf Nummer sicher gehen will, sollte eines der schönen, alten Grand Cafés aufsuchen, die sich meist in historischen Gebäuden befinden.

Etwas später ist vielleicht ein holländischer Snack das Richtige – z. B mit einem geliehenen Fahrrad, dem „Fiets“, quasi als Essen auf Rädern. Tradition haben natürlich die dicken holländischen Pommes oder die Kroketten – kann man, muss man aber nicht. Eine typische Spezialität ist auch roher Hering und frischer Matjes. Stände und Läden mit Fischverkauf gibt es in Amsterdam an fast jeder Ecke.

Typisch sind auch Bitterballen – knusprig frittierte Fleischragout-Bällchen, die es auch in fast allen Kneipen gibt. Und: Stamppot, ein wahrhaft holländisches Traditionsgericht. Es bedeutet wörtlich ‚gestampfter Topf‘, und in einen Stamppot gehören zerdrückte Kartoffeln, die mit anderem Gemüse wie Kohl, Sauerkraut, Karotten, Zwiebeln oder Spinat vermengt und häufig mit einer braunen Sauce und Wurst oder einem Hackfleischball serviert werden.

Wenn Sie etwas richtig Süßes probieren möchten, dann greifen Sie zu Stroopwafeln (Sirupwaffeln, Foto): zwei dünne Waffeln, die von einer Schicht aus köstlichem Karamellsirup zusammengehalten werden. Am besten schmecken Stroopwafeln warm und frisch gebacken auf einem Straßenmarkt. Pofertjes sind köstliche Minipfannkuchen mit etwas Puderzucker obendrauf. Es gibt sie im „Pannenkoekenhuis“, aber auch am Straßenstand.

Business-Lunch unter Sternen

Wer noch oder wieder im Business steckt, für den könnten die klaren Linien und der fehlende Schnickschnack im „Johannes“ das Richtige sein. 2016 übernahm hier Roderik Goores die Chefmütze. Er hat zuvor im (immer noch exzellenten) Restaurant „La Rive“ gekocht und verleiht seinen Gerichten ein einzigartiges Flair aus französischer und südeuropäischer Küche. Die Speisekarte wird jeden Monat aktualisiert, und man kann hier originelle Gerichte mit den dazu passenden Weinen finden.

Die traditionell holländische Küche neu interpretiert – das zaubert Chef Luc Kusters im „Bolenius“ auf die Teller. Das Michelin-besternte Lokal in der George Gershwinlaan bietet für den perfekten Business-Lunch ein feines Zwei-Gänge-Menü und für das ausgiebige Dinner ein Menü in fünf Stationen.

Der Engländer Christopher Naylor ist Küchenchef im kürzlich wieder eröffneten Restaurant „Vermeer“ im NH Collection Amsterdam Barbizon Palace. Der Schüler von Albert Roux brilliert dort seit über zehn Jahren als Chef. Er erhielt 2011 einen Michélin-Stern und kocht am liebsten mit saisonalen Produkten, vor allem mit Gemüse, das er zum Teil direkt aus dem Dachgarten des Hotels holt. Spitzenqualität hat hier absolute Priorität, daher wurde die Karte kürzlich etwas reduziert, um die Feinheiten der Speisen und Gerichte zur Perfektion zu bringen.

Jacob Jan Boerma, der als Chefkoch des Restaurants „De Leest“ in Vaassen bereits mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnet wurde, übernahm vor wenigen Jahren die gastronomische Leitung im NH Collection Amsterdam Hotel Krasnapolsky. Ob entspanntes Mittag- oder Abendessen, das „Grand Café Krasnapolsky“ bietet den ganzen Tag über ein einmaliges kulinarisches Erlebnis mit Blick auf den Dam. Anfang 2016 eröffnete im Hotel sein neues Restaurant „The White Room“ (ein Michelin-Stern). Der Name ist Programm, glänzt hier doch alles in Weiß, garniert mit Gold, unter der hohen Decke, die von gewaltigen Säulen gestützt wird. Hier kocht Jacob Jan Boerma in der Tradition der französischen Küche und arbeitet vorzugsweise mit regionalen Produkten (Foto). Ein guter Tipp ist auch die geräumige Hotelbar „The Tailor“ mit coolem Chic und tollem Blick aufs Geschehen am Dam.

Und wer modischen Style auch beim Essen pflegt, sollte in dem Restaurant mit dem treffenden Namen „Fashion’s“ gegenüber des Amsterdam’s World Fashion Centre einen Tisch reservieren. Hier trifft Couture auf französische Küche. Das Essen ist genauso schick wie die modischen Kunstwerke an den Wänden und der marmorne Catwalk-Eingang. Serviert werden Klassiker wie französische Zwiebelsuppe, aber auch ungewöhnliche kulinarische Kreationen wie etwa Tandoori-Thunfisch. Wer mittags nicht viel Zeit hat, findet auch Sandwiches und Salate auf der Karte. Tipp: Vor dem Business-Talk unbedingt reservieren, z.B. über www.couverts.nl

Politisch-korrekte „Braune Kneipen“

„Bleiben“ die vielen schönen, alten Pubs oder die einfache Nachbarschaftskneipe an der Ecke: Im Stadtleben spielen „Braune Kneipen“ eine große Rolle. Sie verdanken ihren Namen ihrer meist dunklen Einrichtung aus Holz, die vom Zigarettenrauch braun verfärbt ist. Gäste lesen hier bei einer Tasse Kaffee ihre Zeitung oder trinken mit Freunden nach der Arbeit ein Bier – die „Braune Kneipe“ ist für viele Amsterdamer eine Art zweites Zuhause. Jede hat ihren ganz eigenen Charakter und damit häufig auch oft ihr eigenes Publikum. Gleich mehrere Braune Kneipen nehmen für sich in ­Anspruch, die älteste Amsterdams zu sein. Gesichert ist, dass die Geschichte dieser Etablissements tatsächlich bis ins 17. Jahrhundert zurückreicht.

Eine Auswahl:

  • Café Karpershoek (Martelaarsgracht 2) (Foto): Hier ist der Boden bis heute mit Sand bedeckt, so wie im 17. Jahrhundert üblich.
  • In ’t Aepjen (Zeedijk): Sie befindet sich in einem der ältesten Gebäude der Stadt aus dem Jahre 14
  • Café De Druif (Rapenburgerplein 83): In der „Traube“ kann man sich seit 1631 das ein oder andere Gläschen genehmigen.
  • Café Papeneiland (Prinsengracht 2): Es heißt, dass hier zu Beginn des 17. Jahrhunderts ein Sarghersteller und ein Bestattungsunternehmer hinter dem Tresen gestanden haben.
  • Café In de Wildeman (Kolksteeg 3): Auf einer Rangliste der beliebtesten Bars und Pubs der Niederlande kam dieser Pub unter den Top 10.
  • Café ’t Smalle (Egelantiersgracht 12): Hier begann Pieter Hoppe im Jahr 1786 mit seiner Genever-Brennerei.
  • Café De Dokter (Rozenboomsteeg 4): Diese Kneipe misst noch nicht einmal 18 Quadratmeter und ist damit vermutlich die kleinste Kneipe Amsterdams.

Michael Möser …

mag es gern entspannt. Amsterdam trifft daher genau seinen Nerv, indem er am liebsten bei Zeitung und „Koffie verkeerd“ dem bunten Treiben zwischen den Grachten zusieht. Dabei entdeckt er nicht nur kuriose Mitmenschen, sondern bisweilen auch hitverdächtige Restaurants.

 

 

Fotos: © iStock/Madzia71, © iStock/adisa, © iStock/Sisoje, The White Room by Jacob Jan Boerma/NH Collection Amsterdam Grand Hotel Krasnapolsky, Café Karpershoek, © iStock/mila103

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